Wien

Michelangelo: Zeichnungen eines Genies

Studie eines gesenkten Kopfes (Detail), 1529/30; Foto: © Casa Buonarroti, Florenz
Verborgene Schätze kommen ans Tageslicht: Die Albertina zeigt mit rund 120 Zeichnungen von Michelangelo, wie er die Renaissance überwand und den Barock erfand - in der ersten Ausstellung über das Genie seit 20 Jahren.

Seinen Namen kennt jedes Kind. Jeder hat schon einmal seinen «David» gesehen. Hunderttausende sind in sein Hauptwerk, die Sixtinische Kapelle, hinein- und hindurchgeströmt. Doch das Herzstück von Michelangelos Schaffen, seine Zeichnungen, kennen nur wenige.

 

Info

Michelangelo: Zeichnungen eines Genies

 

08.10.2010 - 09.01.2011
täglich von 10 - 19 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr in der Albertina, Albertinaplatz 1, Wien

 

Weitere Informationen

Das hat natürliche Gründe: Diese 500 Jahre alten Arbeiten auf Papier sind viel zu kostbar und empfindlich, um sie längere Zeit dem Massenbetrieb eines Museums auszusetzen. Sie werden in dickleibigen Folianten der Graphik-Sammlungen sorgsam verwahrt und erblicken nur selten das Sonnenlicht. Dass nun mehr als 100 von ihnen in der Albertina zu bestaunen sind, gleicht einer Sensation.

 

Leihgaben bedeutenster Museen

 

Die selten vorkommt: Diese Ausstellung zu Michelangelo ist die erste weltweit seit 20 Jahren. Mehr als 30 der bedeutendsten Museen haben Leihgaben beigesteuert, darunter der Louvre, das British Museum, die Royal Collection der Queen, die Uffizien und die Casa Buonarotti in Florenz, das Metropolitan Museum in New York, das Teylers Museum in Haarlem uvm.


Impressionen der Ausstellung


 

Zeichnungen wurden Kunstwerke

 

Zudem hat die Albertina in die Schau Gemälde, Skulpturen und auch Videos integriert, um mit deren Hilfe Michelangelos Fresken vorzuführen. Das erlaubt ihr, seine künstlerische Biographie vollständig nachzuzeichnen. Erst dadurch erhalten die Zeichnungen den ihnen gebührenden Stellenwert: Sie werden erkennbar als erste provisorische Skizze einer Idee oder Komposition, die danach auf andere Art ausgeführt und vollendet wurde – teilweise Jahrzehnte später.

 

Wobei das Wort «Skizze» eine Flüchtigkeit suggeriert, die bei Michelangelo unangemessen ist. Er verwendete auf seine Zeichnungen unendlich viel Sorgfalt und arbeitete sie häufig bis ins Detail aus. Mit ihm stieg die Zeichnung vom Hilfsmittel zum autonomen Kunstwerk auf – seine Blätter wurden bereits von den Zeitgenossen geschätzt und eifrig gesammelt.

 

Im Alleingang den Barock erfunden

 

Ihnen war sein künstlerischer Rang völlig bewusst. Als der 89-jährige Michelangelo 1564 starb, feierte ihn seine Heimatstadt Florenz mit einem Begräbnisumzug als größtes Genie seiner Epoche. Im Laufe der Jahrhunderte hat er an Bedeutung eher noch gewonnen. Im kunsthistorischen Rückblick wird erkennbar, dass Michelangelo quasi im Alleingang die Renaissance überwunden und den Barock erfunden hat.

 

Das lässt sich anhand seiner Zeichnungen hervorragend nachvollziehen. Schon die frühesten erhaltenen Blätter, auf denen der Jüngling Fresken von Giotto kopierte, zeigen großes Talent – doch zugleich die statuarische Figurenauffassung der Frührenaissance. Die lässt Michelangelo bald hinter sich und entwickelt sein eigenes Ideal der menschlichen Gestalt, das sich durch würdevolle Erhabenheit und heroische Monumentalität auszeichnet.

 

«Leda und der Schwan» in drei Umsetzungs-Phasen

 

Um 1500 erhält er die ersten Großaufträge. Seine Entwürfe für ein Schlachtengemälde, das die republikanische Stadtregierung von Florenz bei ihm bestellt, sind bereits von komplizierten Körperdrehungen und Variationen expressiver Haltungen geprägt. Sie beeindrucken seine Mitbürger zutiefst. Wenige Jahre darauf beauftragt ihn Papst Julius II. mit der Deckenbemalung in der Sixtinischen Kapelle – dafür sind Vorzeichnungen zu sehen.

 

Am meisten beeindruckt jedoch die Schau, sobald sie ein Motiv von Michelangelo entlang der verschiedenen Phasen seiner Umsetzung verfolgt. Mehrere seiner Vorzeichnungen setzte der befreundete Maler Sebastiano del Piombo (1485 – 1547) in großformatige Gemälde um, etwa eine «Geißelung Christi». Bei «Leda und der Schwan» kann man sogar eine Zeichnung, einen Karton und ein Tempera-Gemälde von Michelangelo miteinander vergleichen. Sein Original wurde zwar zerstört, doch eine Kopie von Peter Paul Rubens ist erhalten.

 

Multimediale Genie-Präsentation

 

Somit führt der Rundgang keineswegs durch eine papierene Kabinett-Ausstellung bei gedämpfter Beleuchtung. Michelangelo, der Zeichner, Maler, Bildhauer und Architekt war, begegnet die Albertina mit einer multimedialen Präsentation, die alle Sinne anspricht – und damit die zeitlose Größe seines Genies auch elektronisch sozialisierten Nachfahren deutlich macht.