
Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa sind die scheuen Superstars der zeitgenössischen Baukunst. Kaum ein anderes Architekten-Team hat in den vergangenen Jahren so viel Kritiker-Lob eingeheimst wie ihr Büro SANAA («Sejima and Nishizawa and Associates»). Dafür erhielten sie im März 2010 den Pritzker-Preis, auch Nobelpreis für Architektur genannt.
Info
SANAA Tokio - Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa
18.11.2010 - 20.01.2011
täglich außer montags 11 bis 18.30 Uhr, am Wochenende 13 bis 17 Uhr
in der Galerie Aedes Am Pfefferberg, Christinenstraße 18-19, Berlin
Alles stets in Weiß
Stattdessen lassen Sejima und Nishizawa die Aura ihrer minimalistischen Entwürfe sprechen. Sie fertigen ihre Konstruktionen aus unbehandeltem Sichtbeton, Stahl, Glas und Aluminium. Viel Sorgfalt verwenden SANAA auf Benutzer- und Lichtführung, die Raumwirkung und die Verbindung von Innen mit Außen. Ihre Anstriche sind stets in Weiß.
Impressionen der Ausstellung
Die Essenz eines Raumes
«Wir konzentrieren uns auf die Essenz, das ist das Wichtigste für uns, und die Essenz eines Raumes ist nun mal weiß. Noch reduzierter geht es nicht, dann wäre unsere Architektur wahrscheinlich durchsichtig und unsichtbar», hat Sejima in einem ihrer raren programmatischen Statements erklärt.
Allerdings hat sich ihr Stil in den vergangenen Jahren verändert: Bis Mitte des Jahrzehnts bestanden ihre Gebäude ausschließlich aus Kuben und Rechtecken – etwa ihr Neubau für das «New Museum of Contemporary Art» in New York 2005 oder der von Fenstern durchlöcherte Würfel auf dem Gelände der Zeche Zollverein in Essen 2006. Seither hat das Duo biomorphe Formen für sich entdeckt.
Wellen-Gekräusel wie auf Genfer See
Ihre aktuellen Projekte zeigt nun eine Ausstellung in der auf Architektur spezialisierten Aedes-Galerie. Ins Auge springt sofort ihre jüngste Großtat, das im Frühjahr eröffnete Rolex Learning Center der Polytechnischen Hochschule in Lausanne. Für 110 Millionen Franken hat SANAA der Universität ein sanft geschwungenes Wellen-Gebilde errichtet. Es wirkt wie die Vergrößerung des Oberflächen-Gekräusels auf dem nahen Genfer See.
Allseits verglaste Galerien erlauben überall Ein- und Durchblicke; elf Patios durchbrechen die Decke und lassen das Licht hereinfluten. In einem einzigen endlosen Raum, der nur vage in Zonen unterteilt ist, sind Bibliothek, Archive, Labors, Büros, Auditorium, Restaurant und Café untergebracht. Alles ist miteinander verbunden; die Grenzen zwischen Arbeit und Entspannung, zwischen Innenraum und Umwelt werden aufgehoben. Eine gebaute Utopie.
Architektur-Eingriffe gegen Entvölkerung
Ähnlich menschenfreundlich soll das Inujima Art-House Project werden. Die winzige Insel Inujima ist von Entvölkerung bedroht. Architektonische Eingriffe wie gebogene und verspiegelte Bänder, Galerien, Häuser und Arenen sollen die Lebensqualität erhöhen und die Bewohner zum Bleiben bewegen. Diese beiden Vorhaben werden mit ausgefeilten Modellen vorgestellt; die übrigen sechs leider nicht.
Ein kleiner Klecks Blechfolie soll den Sommerpavillon 2009 der britischen Serpentine Gallery wiedergeben. Er lässt nicht ahnen, wie das verspiegelte, mäandernde Dach auf dünnen Pfeilern den Garten der Galerie mit seinen Lichtreflexen verzauberte. Auch die tropfenförmige Plastikschale, die das Teshima Art Museum repräsentiert, vermittelt keine Idee von der Kühnheit des Projekts: Ein riesiges Dach soll sich an einen Hügel schmiegen und ein Museum ohne Außenwände beherbergen.
Papp-Modelle mit Transportschäden
Winzig ist die Darstellung der HyundaiCard Concert Hall in Soul: Die Kantenlänge des Kubus ist kaum eine Hand breit. Da hilft es wenig, dass ein Element ihrer ondulierten Glasfassade aus Plexiglas nachgebaut wurde. Wie das fertige Ensemble aussehen soll, erfährt man nicht. Ebenso wenig geben ein paar Kunststoff-Scherben und ein Stück Außenwand aus anodisiertem Aluminium eine Vorstellung von der Filiale des Louvre. SANAA realisiert sie derzeit im nordfranzösischen Lens.
Geradezu grotesk sind die Modelle für das New Museum in New York und den Torre Neruda, der in Mexiko gebaut wird: Aus beschichteter Pappe zusammengeklebt, verleugnen sie die Raffinesse der Entwürfe völlig. Ihr Clou sind die Verschiebungen und Rücksprünge, die ihren Fassaden ein treppenartiges Aussehen geben. Die Modelle sehen aus, als seien sie beim Transport beschädigt worden.
Nur Email-Adressen auf Website
Japanern muss man eigentlich den Gebrauch moderner Medien nicht erklären: Es gibt Fotografien, Filme und Computer-Simulationen. Jeder Architekt nutzt sie, um seinem Bauherrn einen optimalen Eindruck zu geben, bevor die Bagger anrollen. Doch SANAA bestückt diese Schau nur mit Modellen, die jedem Architektur-Studenten peinlich wären. Sejima und Nishizawa pfeifen eben auf moderne Kommunikation: Ihre Website gibt vier Email-Adressen an – sonst nichts.