Leipzig

Horst Janssen: Spiel mit der Meisterschaft

Horst Janssen: Dies möchte ich nicht sein (Detail), 24. Januar 1981, 37 x 28 cm, Bleistift, Pastell. Foto: Museum der bildenden Künste, Leipzig
Manische Ausdruckswut und Verachtung für den Kunstbetrieb: Janssen war Haus-Illustrator der alten Bundesrepublik. Das Museum der bildenden Künste widmet ihm eine kleine, feine Werkschau.

Mit seinen aktuellen Sonderausstellungen betreibt das Leipziger Museum Systemopposition – Opposition nicht gegen das, sondern mit System. Während die opulente Retrospektive von Michael Triegel bildungsbürgerliche Träume von einer Rückkehr nach Alteuropa bedient, steht Horst Janssen gegenüber für eine originellere Variante.

 

Info

 

Horst Janssen: Spiel
mit der Meisterschaft

 

28.10.2010 - 06.02.2011
täglich außer montags 10 - 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr im Museum der bildenden Künste, Katharinenstr. 10, Leipzig

 

Weitere Informationen

 

Der 1995 verstorbene Hamburger kümmerte sich nie um den Zeitgeist. Sein Nonkonformismus beruhte nicht auf Widerspruchsgeist, sondern auf Eigenbrötelei. Als Abstraktion, Informel, Pop-Art, Fluxus und Konzept-Kunst den westdeutschen Kunstbetrieb dominierten, hielt Janssen sich abseits. Für seine ideologischen Schlachten hatte er nur Verachtung übrig.

 

Grafiken für Millionen «Zeit»-Leser

 

Stattdessen werkelte er unermüdlich an seinem unüberschaubaren Oeuvre: Es wird auf Tausende von Zeichnungen, Radierungen und Aquarelle geschätzt. Für ihre Verbreitung sorgte vor allem «Die Zeit»; dort war er eine Art Haus-Illustrator. So lernten Millionen ihrer Leser diesen zeitgenössischen Grafiker kennen.

 

Ansonsten verließ sich Janssen auf wenige Getreue. Darunter war der Hannoveraner Galerist Hans Brockstedt, der für diese Schau 54 Blätter zur Verfügung stellt. Sie zeigen alle Facetten dieser Bildwelt: gespenstische Szenerien, surreale Kombinationen und deformierte Gestalten irgendwo zwischen Richard Oelze und Jean Dubuffet. Aber auch Gelegenheitsarbeiten von heiterer Gebrauchsgrafik bis zu monströsen Selbst-Porträts.

 

Obsessionen und Ängste der alten Bundesrepublik

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Kritik der Ausstellung "Verwandlung der Götter" mit Werken von Michael Triegel im Museum der bildenden Künste, Leipzig

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Das große Welttheater" mit Werken von Bernhard Heisig im Kunst-Raum des Bundestags, Berlin.

 

In ihrer obsessiven Selbst-Befragung ähneln sie vergleichbaren Werken des West-Berliners Johannes Grützke oder des Leipziger Maler-Fürsten Bernhard Heisig – beide kümmerten sich ebenso wenig um den anti-figurativen Zeitgeist. Welche Funken sich aus der Figuration schlagen lassen, führt diese Bildwelt exemplarisch vor. Wie kein zweiter hat Janssen die sozialen und erotischen Obsessionen und Ängste der alten Bundesrepublik in eindrucksvolle Bild-Erfindungen verwandelt.

 

Doch in der Ausdruckswut des manischen Zeichners, der gerne das betrunkene Genie gab, erkannte sich die Aufbaugesellschaft wieder. Mit seiner motivischen und technischen Bandbreite ist Janssen dem blutleeren Renaissance-Kopisten Michael Triegel turmhoch überlegen.