Berlin

Jean Genet – Hommage zum 100. Geburtstag

Jean Genet 1946 in Paris; Foto: © Roger Parry/Schwules Museum Berlin
Am 19. Dezember wäre Jean Genet 100 Jahre alt geworden. Das Schwule Museum Berlin widmet dem Skandal-Autor eine lebenspralle Ausstellung, die so überwältigend ist wie seine Schriften.

Die Literaturskandale, die Genets Werk in den 1950/60er Jahren auslöste, sind heute unverständlich. Damals erschien kein Roman, wurde kein Stück uraufgeführt, ohne dass es zu Verboten, Anklagen und Geldbußen kam. Passé – seine expliziten Schilderungen von Homosexualität, Gewalt und Verbrechen kann unsere Zeit, die ganz anderes gewohnt ist, zwanglos integrieren. Und ihren Autor ignorieren.

 

Info

Jean Genet - Hommage
zum 100. Geburtstag

 

07.12.2010 - 07.03.2011
täglich außer dienstags 14 - 18 Uhr, samstags bis 19 Uhr im Schwulen Museum, Mehringdamm 61, Berlin

 

Weitere Informationen

Das ist schade. Jenseits aller Affären, mit Liebhabern wie mit der Justiz, war Genet ein brillanter Stilist, der seine Elogen auf menschliche Abgründe mit bildgewaltiger Intelligenz vortrug. Abhängigkeiten analysierte er wie kein zweiter. Daran erinnert das Schwule Museum in seiner Hommage an den Franzosen.

 

168 Zitate aus 1000-seitiger Sartre-Studie

 

Mit einer Ausstellung, die so sinnestrunken wie ihr Gegenstand ist. Kaum Erstausgaben oder andere Flachware; stattdessen Wände voller Collagen mit Momenten aus Genets Leben, Szenenbildern seiner Theaterstücke und ihm gewidmeten Kunstwerken. Sowie Zitat en gros: Allein 168 aus Sartres 1000-seitiger Studie «Saint Genet. Komödiant und Märtyrer», die ihn zum Helden einer marxistischen Psychoanalyse verklärte.


Impressionen der Ausstellung


 

1950 drehte Genet den Film «Un chant d´amour»

 

Plus einer Wand voller Kommentare von Weggefährten – die halbe Nachkriegs-Intelligenzija ist hier vertreten. Dabei bildet die Schau alle Lebensphasen Genets ab: Seine kriminelle Jugend, der schnelle Ruhm, seine Vorbildfunktion für die Schwulenbewegung, das Engagement für Entrechtete weltweit und der traurige Tod 1986.

 

Ausstellungen über Literaten sind oft blutleer – diese nicht. Kurator Wolfgang Theis hat die Bleiwüsten von und über Genet zu anregenden Text-Bild-Konglomeraten verarbeitet und mit Filmen angereichert: mit Fassbinders «Querelle»-Version von 1981 und Genets eigenem Film «Un chant d´amour», einer Rarität von 1950. Die Schau macht Lust, seine Werke wieder zu lesen – das Beste, was einem Autor passieren kann.