Am Eingang kommen gleich die Bilderstürmer: Eine kopflose Pietà-Skulptur aus Münster, 1534 von Wiedertäufern grässlich zugerichtet. Dieser Auftakt ist nicht programmatisch zu verstehen; die Ausstellung macht ihrem Gegenstand nicht den Garaus. Doch sie begreift Religion als Ernstfall und betrachtet sie aus dem Blickwinkel des Konflikts.
Info
Kraftwerk Religion -
Über Gott und die Menschen
02.10.2010 - 05.06.2011
täglich außer montags 10 - 18 Uhr im Deutschen Hygiene-Museum, Lingnerplatz 1, Dresden
Begleitband 24,90 €
Energiespender für den Einzelnen
Mitten im Saal stehen Monitore mit Video-Interviews zu Glaubensfragen: Ob Religion Privatsache sein soll, ob in Glaubensdingen alles erlaubt ist oder Burka- und Kopftuchverbote gerechtfertigt sind. Paritätisch ausgewählte Personen geben dazu ihre Meinung kund. Damit stellt Kuratorin Petra Lutz klar, dass sie Religion auf der individuellen Ebene verhandelt – als Energiespender für den Einzelnen. Organisationen wie die Kirchen bleiben außen vor.
Impressionen der Ausstellung
Jeder gleich nah zu Gott
Gegenüber allen Bekenntnissen bleibt die Ausstellung farbenblind und behandelt die größte wie die geringste: Neben Objekten der fünf Weltreligionen liegen auch Exponate von afrikanischen Kulten und Scientology. Konsequenterweise werden die Konfessionen im Katalog alphabetisch aufgelistet; beginnend mit A wie Atheismus. Kein Glaube wird hier hervorgehoben oder zurückgesetzt; jeder ist gleich nah zu Gott.
Die zweite Abteilung «Gemeinschaft» stellt dar, welche Praktiken Menschen zu einer Glaubensgemeinschaft verbinden. Religionsschulen vermitteln Mythen und Regeln; Zeichen und Riten schweißen zusammen – erhabene wie heilige Schriften und volkstümliche wie geweihte Wässerchen. Kommentiert durch große Geister von Schleiermacher bis Böckenförde; ihre Zitate schweben als Projektionen über die Wände.
Willkürliche Auswahl
In der dritten Abteilung nimmt sich die Schau das große Ganze vor. Nichts weniger als «Offenbarungen und letzte Fragen» sollen hier geklärt werden. Allerdings stößt nun das wertneutrale Patchwork-Prinzip an seine Grenzen: Das Unfassbare sperrt sich eben gegen jede Systematik. So wirkt die Auswahl des Dargebotenen reichlich willkürlich.
Die Einreichungen zum «International God Look-Alike Contest» dürfen wohl ebenso als Parodie auf Religion gelten wie die «Iglesia Maradoniana», die den Fußballstar Diego Maradona verehrt. Und Dankesbriefe aus den 1950er Jahren an Bernhard Birschler, den «Seher vom Kinzigtal», bezeugen eher infantilen Wunderglauben als die Beschäftigung mit den Rätseln des Daseins.