Berlin

Wegbereiter der Ägyptologie: Carl Richard Lepsius 1810-84

Altägyptischer Tierkreis an der Decke des Mythologischen Saals im Neuen Museum. Foto: R. Kriesten © Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Staatliche Museen zu Berlin.
Nur Napoleon hat noch mehr aus dem Land am Nil herausgeholt: Ohne Carl Richard Lepsius wüssten wir wenig über das alte Ägypten. Das Neue Museum in Berlin richtet ihm zum 200. Geburtstag eine gelungene Sonderschau aus.

Lächeln konnte er offenbar nicht. Von Carl Richard Lepsius (1810 – 1884) sind manche Zeichnungen, Gemälde und Fotografien erhalten. Alle zeigen einen würdigen Herrn mit strengem Blick: Stets steht ihm das Bewusstsein seiner überragenden Bedeutung für die Wissenschaft ins Gesicht geschrieben.

 

Info

Wegbereiter der Ägyptologie:
Carl Richard Lepsius 1810-84

 

03.12.2010 - 20.03.2011
täglich von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis samstags bis 20 Uhr im Neuen Museum, Bodestr. 1-3, Berlin

 

Kleiner Katalog 6 Euro

 

Weitere Informationen

Lepsius war ein Universalgelehrter, wie es ihn so nur noch im 19. Jahrhundert gab. Er war Sprachwissenschaftler, Kunsthistoriker und Museumsdirektor. Er war Professor, Akademiemitglied, leitete die königliche Bibliothek und gab eine Fachzeitschrift heraus. Doch vor allem hat er die Ägyptologie in Deutschland begründet und mit viel Disziplin und Energie bis heute geprägt – ohne ihn wüssten wir wenig über das alte Ägypten.

 

32-Jähriger leitet Preußen-Expedition

 

Das gelang ihm durch eine wissenschaftliche Heldentat: Die «Königlich-Preußische Expedition» von 1842 bis 1845. Der junge Gelehrte hatte mit wegweisenden linguistischen Arbeiten und Beiträgen zur Entzifferung der Hieroglyphen auf sich aufmerksam gemacht; daher wurde dem 32-Jährigen das ehrgeizige Unternehmen anvertraut.


Impressionen der Ausstellung


 

1500 Altertümer + 15.000 Gipsabdrücke

 

Unter Lepsius´ Führung fuhr ein Dutzend Forscher das Niltal bis in den heutigen Sudan hinauf. Systematisch vermaßen und dokumentierten sie alle bekannten Gräber und Monumente, die auf der Reiseroute lagen. Zugleich nahmen sie viele Altertümer für die Sammlungen des Königs mit. War das nicht möglich, fertigten sie Kopien oder Zeichnungen an.

 

Als die Gruppe nach drei Jahren zurückkehrte, kam sie mit schwerem Gepäck: Rund 1500 Altertümer, etwa 2000 Zeichnungen und Gemälde sowie 15.000 Gipsabdrücke. Nur Napoleon hatte zuvor noch mehr aus Ägypten abtransportiert – seine Beute füllt heute den Louvre. Dem eiferte Friedrich Wilhelm IV. von Preußen nach: Er ließ bereits das Neue Museum errichten.

 

Raum-Gestaltung im altägyptischen Stil

 

Bei seiner Eröffnung 1855 wurde Lepsius Vize-Direktor, 1865 stieg er zum Chef auf. Er setzte einen aufwändigen Innenausbau durch: Säulen-Höfe und Raum-Gestaltung im altägyptischen Stil sollten dem Besucher einen umfassenden Eindruck dieser Kultur vermitteln. Wände und Decken wurden mit authentischen Bilderfolgen aus antiken Grabmälern bemalt.

 

Das war nicht unumstritten. Die prächtige Ausgestaltung in «grellen Farben» ließen die originalen Exponate wie «alte, hässliche Steinbrocken wirken», kritisierte Emmanuel de Rougé, sein Kollege im Louvre. Doch Lepsius setzte sich durch. Fragmente seines Konzepts wie die Deckenbemalung im Mythologischen Saal oder die Veduten im Ägyptischen Hof haben überlebt. Seit der Wiedereröffnung 2009 begeistern sie die Besucher des Neuen Museums.

 

Drei tonnenschwere Opfer-Kammern

 

Versteht sich, dass es seinen Gründervater zum 200. Geburtstag würdigt. Da die Bestände des Hauses ohne Lepsius nicht denkbar wären und sein Einfluss in jedem Winkel spürbar ist, wurde die Sonderschau in die ständige Ausstellung eingebettet. Nach dem Vorbild einer Schnitzeljagd: Man biegt um eine Ecke oder betrachtet eine Statue und entdeckt eine Schautafel, die daran erinnert, dass Lepsius auch hier seine Hand im Spiel hatte.

 

Hintergrund

Lesen Sie hier eine Besprechung der Ausstellung "Königsstadt Naga" über die antike ägyptisch-afrikanische Mischkultur des Reiches von Meroë in München + Berlin

 

und hier einen Beitrag zur Ausstellung "Roads of Arabia" mit archäologischen Schätzen aus Saudi-Arabien im Pergamonmuseum, Berlin

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Orientalismus in Europa" in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München.

Beispielsweise im Raum «Ewiges Leben», der Prunkstücke des Museums beherbergt: drei komplette Opfer-Kammern. Sie waren Teil so genannter Mastabas – in solchen Grabkomplexen wurden hohe Würdenträger bestattet. Der Expeditionsleiter ließ die tonnenschweren Opfer-Kammern demontieren und nach Deutschland verschiffen. Nun füllen ihre detailreichen Reliefs einen ganzen Saal. Daran lässt sich nachvollziehen, wie ägyptische Handwerker solche enormen Anlagen ausgearbeitet haben.

 

Königs-Lob in Hieroglyphen

 

An anderer Stelle macht erst der Hinweis auf Lepsius´ Wirken deutlich, welche Bedeutung das Gezeigte hat. Etwa den langen Papyrus-Rollen im Ägyptischen Hof: Es handelt sich um Gebete für Verstorbene, die er übersetzte und als «Todtenbuch der Ägypter» 1842 veröffentlichte. Oder Inschriften auf Stelen und Sarkophagen, aus denen er eine vollständige «Chronologie der Ägypter» zusammenstellte.

 

Lepsius schrieb fließend in Hieroglyphen und schmückte Museums-Säulen mit altägyptischen Lobpreisungen auf «Friedrich Wilhelm IV., der seinen Vater Liebende, der Wohltätige, der Herr der Vollkommenheit, geliebt von Thot und Seschat…» usw. Im Gegensatz zu solchen Extravaganzen ist die Gedenkausstellung für ihn wohltuend nüchtern geraten: Kurze Texte und ausgewählte Bilder, die Vergleiche zwischen den Zuständen einst und jetzt erlauben. Unspektakulär, aber informativ: Dem strengen Herrn Lepsius hätte das sicher gefallen.