Berlin

Die geretteten Götter aus dem Palast von Tell Halaf

Farbretuschen an den ergänzten Zöpfen der Grabfigur, August 2008. Foto: © Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung, Köln
50 Jahre lagen sie in Trümmern, dann wurden sie neun Jahre lang zusammengeklebt: Das Pergamon-Museum zeigt 3000 Jahre alte Monumente aus Syrien - die spektakuläre Geschichte einer sensationellen Entdeckung.

Bis heute Grabungen nach Oppenheims Plänen

 

Nun ist es soweit. Die Ausstellung im Pergamon-Museum ist vor allem eine Hommage an den umtriebigen und begeisterungsfähigen Selfmade-Orientalisten, dessen Wirken wissenschaftlichen Ansprüchen genügte: Anhand der exakten Lagepläne, die er von Tell Halaf anfertigte, wird dort noch heute gegraben. Die Schau zeichnet seine generalstabsmäßig geplanten und ausgestatteten Expeditionen ebenso nach wie die aufwändige Restaurierung der Fragmente im vergangenen Jahrzehnt.

 

Die Früchte aller Bemühungen sind im so genannten Schlüter-Saal aufgestellt. Vor goldenem Hintergrund erheben sich meterhohe Götter-Statuen, Greifen und Genien. Die Formensprache dieser Fabelwesen hat wenig mit dem vertrauten menschlichen Maß der griechisch-römischen Klassik zu tun. Streng, starr und abweisend wirken die Gestalten, die stilistisch mit der Plastik aus Babylon und dem alten Ägypten verwandt sind.


Interview mit Kuratorin Nadja Cholidis über Restaurierungs-Arbeiten


 

Monumental-Figuren wie Flickenteppiche

 

Ihr leidiges Geschick ist allerdings unübersehbar. Das zeigt der Vergleich mit dem Vorkriegs-Zustand, der auf zahllosen Fotografien dokumentiert ist. Während früher die Figuren durch die geschlossene Wucht ihrer Erscheinung beeindruckten, sehen sie nun wie ein Flickenteppich aus. Bei vielen mussten die Restauratoren große Partien nachmodellieren. Eine unversehrte Statue der Göttin Hepat, eine Leihgabe aus dem syrischen Nationalmuseum in Aleppo, verdeutlicht den Unterschied.

 

Hintergrund

Lesen Sie hier einen Beitrag über die Ausstellung “Gandhāra” zur antiken graeco-indischen Mischkultur im Museum DKM, Duisburg

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung “Roads of Arabia” mit archäologischen Schätzen aus Saudi-Arabien im Pergamonmuseum, Berlin

 

und hier eine Rezension der Ausstellung “Königsstadt Naga” in Berlin über die antike ägyptisch-afrikanische Mischkultur des Reiches von Meroë im heutigen Sudan.

Doch Kritik wäre beckmesserisch. Die Leistungen Oppenheims und des Restauratoren-Teams waren und sind phänomenal. Insofern ist es hoch verdient, dass die Ausstellung auch den universalgebildeten Amateur würdigt: Er ließ Geckos, Vögel und Skorpione der Wüste präparieren, um sie dem Naturkunde-Museum zu schenken, und zeichnete die Musik der Beduine mit Phonographen auf. Auch der Kunstkenner wird vorgeführt, der arabische Kalligraphie und Schmuck sammelte.

 

Dauerhafte Ausstellung erst ab 2025

 

Oppenheim besaß genug Geist und Geld, um all seinen Interessen und Neigungen zu frönen. Dabei handelte er uneigennützig: 1929 stiftete er sein Vermögen samt Bibliothek und Kunstsammlung einem «Orient-Forschungs-Institut», das Forschungen und Grabungen ermöglichen sollte. Es hat auch die Restaurierung der Tell-Halaf-Relikte mitfinanziert.

 

Die geretteten Götter bleiben noch sechs Monate in Berlin. Anschließend touren sie durch die Museen der Welt und verschwinden dann abermals im Depot: bis 2025 der vierte Flügel des Pergamon-Museums fertig gestellt sein wird.