Grau ist nicht nur alle Theorie, sondern auch die Summe aller Farben. Die Summe seiner Malkunst hat Hans Holbein d.Ä. (ca. 1465 – 1524) mit seiner «Grauen Passion» gezogen, die zwischen 1494 und 1500 entstanden ist.
Info
Hans Holbein d.Ä.:
Die Graue Passion in ihrer Zeit
27.11.2010 - 20.03.2011
täglich außer montags 10 - 18 Uhr; dienstags und donnerstags bis 20 Uhr in der Staatsgalerie, Konrad-Adenauer-Str. 30-32, Stuttgart
Katalog 39 €
2003 für 13,2 Millionen Euro gekauft
Dieses Unikat hat sich die Staatsgalerie 2003 gesichert. Für 13,2 Millionen Euro kaufte sie die «Graue Passion» den Fürstenbergschen Sammlungen in Donaueschingen ab. Ein gutes Geschäft für das Adelsgeschlecht: 150 Jahre zuvor hatte Fürst Karl Egon III. die zwölf Tafeln für nur 800 Gulden erworben.
Impressionen der Ausstellung
Restaurierung dauerte drei Jahre
Allerdings waren die auf Fichtenholz gemalten Bilder reparaturbedürftig. Drei Jahre lang wurden sie in der hauseigenen Werkstatt untersucht und restauriert. Nach Abschluss der Arbeiten präsentiert das Museum nun sein neues Prunkstück in einer «Großen Landesausstellung». Sie ist mit knapp 50 weiteren Tafelbildern sowie 100 Zeichnungen und Radierungen von Holbein selbst, seinen Vorläufern und Zeitgenossen bestückt: die erste ihm gewidmete Werkschau seit einem halben Jahrhundert.
Die «Graue Passion» kannte durchaus Vorbilder. Flämische Maler wie Rogier van der Weyden und Jan van Eyck hatten im 15. Jahrhundert die Grisaille-Malerei zu hoher Blüte geführt. Anfangs ging es darum, Architektur-Elemente und Skulpturen möglichst perfekt nachzuahmen.
Halb-Grisaillen mit echtfarbigem Inkarnat
Diese so genannte Stein-Malerei blieb aber meist auf Nebenmotive beschränkt: Gemalte Bildrahmen oder die Außenseiten von Altären. Wenig später entstanden Halb-Grisaillen: Während Dekor und Gewänder monochrom erschienen, wurden Haut-Partien, das so genannte Inkarnat, echtfarbig dargestellt.
Holbein d.Ä. übernahm dieses Prinzip und trieb es zur Meisterschaft: Vor einheitlich blaugrünem Hintergrund sind die sechs Außenbilder durchweg grau, die sechs Innenbilder in hellem Ocker gehalten. Mittig befand sich wohl eine geschnitzte Kreuzigungs-Gruppe, die heute verloren ist. Aber die Bilder können auch glänzend für sich bestehen, so eindringlich schildern sie den Leidensweg Christi.
Christus als rosig-vergeistigter Jüngling
Er führt über Gefangennahme, Prozess und Kreuzigung zur Auferstehung: Holbeins Bildprogramm bleibt im Rahmen der Konvention. Doch die spätgotischen Schreckens-Altäre, die mit ihrer Drastik die Gläubigen erschüttern sollten, vermenschlicht der Maler im Übergang zur Renaissance.
Der Erlöser ist kein ausgezehrter Leichnam, sondern ein rosig-frischer, vergeistigter Jüngling. Auch seine Peiniger geraten nicht zu verzerrten Karikaturen, sondern stellen differenziert gezeichnete Charaktere dar.
Glas + Quarz lässt Farben leuchten
Für die Komposition bediente sich Holbein freimütig bei der Tradition. Insbesondere beim Passions-Zyklus von Martin Schongauer aus dem Elsass machte er ausgiebige Anleihen. Manche markante Einzelheit übernahm er direkt von berühmten Vorbildern, etwa die Körperhaltung Jesu bei der Kreuzabnahme von Rogier van der Weyden. Holbeins Ausführung indes ist einzigartig.
So setzte er gezielt strahlende Akzente bei Stoffen, Edelsteinen und Heiligenscheinen. Indem er der Ölfarbe Glas- und Quarz-Partikel beimischte, ließ er sie noch intensiver leuchten. Beinahe vergisst der Betrachter, dass er weitgehend monochrome Bilder vor sich hat.
Hängung in weihevollen Dreier-Gruppen
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Drunter und Drüber – Altdorfer, Cranach und Dürer auf der Spur" über Untersuchungen mit Infrarot-Reflektographie in der Alten Pinakothek, München
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Meister der Dürerzeit" über Hans Baldung, gen. Grien, in der Gemäldegalerie, Berlin
Ohnehin spielt sich dort die eigentliche Ausstellung ab. Ausführliche Aufsätze zu Einflüssen, Maltechnik und Bildrestaurierung lassen keine Fragen offen. Dagegen halten sich die Schauräume vornehm zurück: Kommentarlos reihen sie Graphiken und Gemälde aneinander – Erläuterungen sind in ein Beiheft verbannt.
So bleiben tiefere Einsichten in Holbeins Genie Experten und fleißigen Lesern der Begleitbände vorbehalten. Eine Ausstellung für Kenner und solche, die es im mühevollen Selbststudium werden wollen.