Darren Aronofsky

Schwanensee als Halluzinogen-Trip

Aronofsky am Set von "Black Swan". Foto: Niktav/ Wikipedia
Darren Aronofsky porträtiert Grenzgänger, die ihr Leben einer bizarren Manie opfern. In «Black Swan» zerbricht Natalie Portman am Wunsch, als Tänzerin perfekt zu sein. Ein Gespräch über klassische Heldensagen und die Nabelschnur mit dem Universum.

Warum haben Sie als Stoff das Ballett gewählt?

 

Ich kenne Ballett, seitdem meine Schwester zu tanzen anfing. Als Junge habe ich aber lieber Football und Baseball spielte. Dennoch hat mir Ballett immer etwas bedeutet. Als ich darüber als Thema nachdachte, fiel mir auf, dass Ballett im Film noch nie realistisch dargestellt worden ist. Es gibt nur jede Menge romantischer Darstellungen.

 

Ballett sieht so wunderschön und mühelos aus, als ob es einfach wäre. Doch hinter der Bühne sieht man Blut, Muskeln, Schweiß und Schmerz – die Hingabe, die Ballett verlangt. Man begreift, wie unendlich mühevoll es ist. Ich glaube, dass sich Tänzer selbst betrügen, wenn sie diese Wahrheit vor der Welt verbergen. Ich wollte zeigen, wie schwer und schmerzvoll es ist, so etwas Göttliches zu schaffen.

 

Hatten  Sie von Anfang an im Sinn, dafür den schwarzen Schwan als Metapher zu verwenden?

 

Das hat lange gedauert. Vor zehn Jahren habe ich Natalie Portman zum ersten Mal getroffen. Dann habe ich jahrelang am Stoff gefeilt. Mich Audio-Auszug des Interviewsfaszinierte die Figur des Doppelgängers bei Dostojewski. Dann sah ich eine Aufführung von «Schwanensee», in der sowohl der weiße als auch der schwarze Schwan von derselben Tänzerin getanzt wurden. Da fiel bei mir der Groschen.

 

 

 

 Audio-Auszug des Interviews

 

Ich mag die erschreckende Vorstellung, die eigene Identität zu verlieren – eines Tages aufzuwachen, und ein anderer ersetzt dich allmählich, nimmt dir deine Frau weg, dein Leben usf. Doch ich brauchte lange, um in die Welt des Balletts einzudringen, ihre Geheimnistuerei zu überwinden, ihr Vertrauen zu gewinnen und sie zu überzeugen, mit uns zusammenzuarbeiten.

 

Haben Sie dort ausführlich für das Drehbuch recherchiert?

 

Nein. Ich bekam ein Drehbuch in die Hand, das als Skelett für die Handlung fungierte. Aber es kam aus der freien Theater-Szene und behandelte nur das Doppelgänger-Motiv; mit Ballett hatte es nichts zu tun. Das wollte ich damit kombinieren, wusste aber nicht, wie. Dann sah ich «Schwanensee», und damit war die Sache für mich klar.

 

Hintergrund

Lesen Sie hier eine kultiversum-Rezension von «Black Swan» mit Bilder-Galerie und Video-Trailer.

Wir gingen vom Märchen-Stoff des Balletts aus und integrierten alle realen Charaktere, bis wir die Handlung am New York City Ballett ansiedeln konnten. Das sieht man im Abspann: Alle Hauptdarsteller haben einerseits eine Rolle als Figuren im Film, andererseits im «Schwanensee»-Ballett selbst.

 

Mischung aus Realität und Fantasy

 

Die Wahn-Sequenzen der Hauptfigur sind sehr experimentell und expressiv, die übrigen Passagen realistisch gehalten. Wie kamen Sie auf diese Kombination?

 

Diese Mischung aus Realität und Fantasy mochte ich schon immer. «The Wrestler» ist über weite Strecken ein Dokumentarfilm über Mickey Rourke, der so tut, als würde er schauspielern. «Black Swan» dagegen ist streckenweise ein subjektiver, halluzinogener Trip aus der Sicht der Hauptfigur.

 

Wo sehen Sie da den roten Faden?

 

Keine Ahnung. Ich möchte mich in jedem Projekt neu erfinden, während ich es durchziehe. Mir ist es wichtig, mich nicht zu wiederholen und mich herauszufordern, indem ich ganz verschiedene Dinge mache.