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Feininger aus Harvard – Zeichnungen, Aquarelle und Fotografien

Lyonel Feininger: Bauhaus, 26. März 1929; Harvard Art Museums. Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn 2011
Alle Welt kennt seine farblich facettierten Architektur-Visionen und Seestücke. Nun zeigt eine Ausstellung kaum bekannte Arbeiten erstmals in Deutschland: groteske Karikaturen, zarte Aquarelle und kühne Fotografien.

Neben Picasso ist Lyonel Feininger der einzige Kubist, der zum Verkaufsschlager der Poster-Hersteller geworden ist: Seine himmelwärts schießenden Kirchtürme und elegant abstrahierten Segelschiffe in delikaten Farbkontrasten zieren unzählige Wohnungen und Wartezimmer.

 

Info

 

Feininger aus Harvard - Zeichnungen, Aquarelle und Fotografien

 

26.02.2011 - 15.05.2011
täglich außer montags 10 - 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr, am Wochenende ab 11 Uhr im Kupferstichkabinett, Kulturforum Potsdamer Platz, Berlin

 

Weitere Informationen

 

02.06.2011 - 17.07.2011
täglich außer montags 10 - 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr in der Pinakothek der Moderne, München

 

Weitere Informationen

 


Obwohl sich Feininger nie als Kubist verstand – er nannte seine Kunst «Prisma-ismus». Seinen Bildern fehlte die kubistische «simultaneité»: der Versuch, einen Gegenstand aus vielen Perspektiven zugleich darzustellen. Dagegen zerlegte er ebenfalls Oberflächen wie mit einem Prisma in mehrere Facetten. Subtil farblich abgestuft, verlieh er ihnen quasi statische Dynamik – dafür wird er geliebt.

 

Karriere-Start als Karikaturist

 

Feininger-Freunde können nun eine wenig bekannte Facette seines Werks kennen lernen. In Berlin und München werden 77 Aquarelle und Zeichnungen sowie 76 Fotografien von ihm gezeigt, die erstmals in Deutschland zu sehen sind. Sie wurden vom Busch-Reisinger Museum ausgeliehen, das zu den Harvard Art Museums gehört und den weltweit größten Werkbestand besitzt – inklusive Feiningers Nachlass.

 

Er begann seine Laufbahn als Karikaturist: Frühe Blätter könnten aus satirischen Blättern wie dem «Simplicissimus» stammen. Nach der Begegnung mit den Kubisten fand er ab 1910 rasch zu seinem eigenen Stil. Da Feininger jedes Gemälde akribisch vorzeichnete, sind die Ähnlichkeiten unverkennbar. Dabei wirken die Zeichnungen trotz der strengen Bildkomposition von Natur- und Architekturstudien noch ätherischer.

Feature über die Feininger-Ausstellung in der Fundación Juan March, Madrid, 17.02. bis 28.05.2017, © Fundación Juan March


Fotografie-Start mit 58 Jahren

 

Zuweilen erinnert ihre sparsam kolorierte Flächigkeit mit mager durchbrochenen Linien an die Arbeiten von Paul Klee – insbesondere, wenn sich Feininger der freien Imagination überließ. Andere Kohlezeichnungen, die er im Ostsee-Dorf Deep an der Rega schuf, wirken geradezu expressionistisch: Sie fesseln durch ihr gleichsam transzendentes Spiel des Lichts.

 

Solche Effekte suchte er auch mit der Kamera. Feininger fand erst mit 58 Jahren zur Fotografie – 1928 als Nachbar von Laszlo Moholy-Nagy, der das neue Medium am Bauhaus etablierte. Mit den Prinzipien des «Neuen Sehens» experimentierte auch der Spätberufene: Mehrfach- und Überbelichtung, Unschärfe und ungewöhnliche Blickwinkel.

 

Neuer Fundus für die Poster-Industrie

 

Die Ergebnisse lehnen sich stark an die Bauhaus-Tradition an; zugleich dienten sie ihm auch als Vorlagen für Gemälde. «Das Fotografieren hat mir das Sehen auf eine neue Art gesteigert», schrieb er 1929. Als er acht Jahre später nach New York emigrierte, half es ihm, die ihn überwältigende Architektur von Manhattan künstlerisch zu bewältigen.

 

Feininger-Retrospektiven gibt es viele. Diese konzentriert sich auf sein Nebenwerk – was ihr Vorzug ist. Da kommt nicht nur der bislang unbekannte Witzblatt-Zeichner zum Vorschein, sondern auch der experimentierfreudige Aquarellist und Hobby-Fotograf: der seines Stils nicht immer so sicher war, wie es die monumentalen Gemälde suggerieren. Ein riesiger neuer Fundus für die Poster-Industrie – für Leute, die sich nie einen klassischen Feininger an die Wand hängen würden.