Berlin

Fritz Eschen: Berlin unterm Notdach

Fritz Eschen: Lessing-Denkmal im abgeholzten Tiergarten. Foto: C/O Berlin
Zeitgeschichte und poetische Impressionen: C/O Berlin entdeckt Fritz Eschen neu, einen grandiosen Chronisten der Nachkriegsjahre in Berlin. Was er in Bildern festhielt, ist heute kaum noch vorstellbar - eine erstklassige Schau.

Berlin war sein Thema. Fritz Eschen (1900-1964), Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Berlin, begann irgendwann «nebenbei» zu fotografieren, wie so viele in den frühen Zeiten der Fotografie.

 

Info

 

Fritz Eschen:
Berlin unterm Notdach.
Fotografien 1945 bis 1955

 

07.05.2011 - 19.06.2011
täglich von 11 bis 20 Uhr in der Galerie C/O Berlin, Oranienburger Str 35/36, Berlin

 

Weitere Informationen

 

Mit der Kamera in der Hand entwickelte er sich bald zu einem Pionier des Bildjournalismus‘ und einem wichtigen Chronisten seiner Zeit – bis ihn die Nazis mit einem Berufsverbot belegten. Verheiratet mit einer «Arierin» war er einer der wenigen Juden, die den Zweiten Weltkrieg in Berlin überlebten.

 

Stadt-Ansichten + Porträt-Fotos

 

Kaum war das Ende der Nazi-Herrschaft besiegelt, streifte er wieder mit der Kamera durch seine Heimatstadt. Sein Blick auf diese Stadt war natürlich ein anderer geworden, jedoch kein bösartiger oder rachsüchtiger. Die Aufnahmen, die Eschen in den Nachkriegsjahren machte, sind unvergleichliche zeitgeschichtliche Dokumente und poetische Impressionen gleichermaßen.

 

Die Galerie C/O Berlin widmet ihnen mit «Berlin unterm Notdach» eine umfangreiche Ausstellung. Neben den Stadtansichten werden auch etliche sehenswerte Porträtfotografien gezeigt, von denen Eschen Zeit seines Lebens zahlreiche anfertigte.

 

Nachlass wanderte nach Dresden

 

Die gezeigten Bilder stammen allesamt aus dem rund 90.000 Aufnahmen umfassenden Nachlass des Fotografen. Dieser war noch in der Zeit des Kalten Krieges über die Mauer in die Deutsche Fotothek in Dresden gewandert – weil im Westen niemand Interesse daran gezeigt hatte. Kaum zu glauben, betrachtet man heute diese eindrucksvollen Bilder.

 

Sie zeigen so etwas wie die Essenz aus Eschens Schaffen. Mit dieser Ausstellung wird unübersehbar, dass es wohl keinen Fotografen gibt, der die Nachkriegszeit in Berlin komplexer erfasst hat. Eschen porträtiert eine zunächst noch ungeteilte Nachkriegs-Gesellschaft mit manchmal sogar ironischer Distanz.

 

Frauen sitzen auf Stein-Rümpfen

 

Beispielsweise, wenn er das frei stehende Lessingdenkmal im völlig abgeholzten Tiergarten in Szene setzt. Von Lessing und seinen Idealen hatten die Deutschen ja nichts mehr wissen wollen – das Ergebnis dieser Ignoranz war der zerbombte Reichstag im Hintergrund.

 

Oder die Aufnahme von zwei jungen Frauen im Park, die auf den steinernen Rümpfen einer Parkbank sitzen müssen, weil alles Holz in die Öfen wanderte; für den Juden Eschen, dem das Sitzen auf Parkbänken verboten gewesen war, sicher ein Bild mit ganz eigener Symbolik.