Florent de la Tullaye

Im Rollstuhl ins Rampenlicht

Florent de la Tullaye im Gespräch; Foto: ohe
«Benda Bilili!» porträtiert fünf behinderte Musiker aus Kinshasa. Ein Gespräch mit Regisseur Florent de la Tullaye über Darsteller, die zum ersten Mal in Betten schlafen.

Sie haben mit Ihrem Partner einen Dokumentarfilm über Benda Bilili gedreht – eine sehr spezielle Musik-Gruppe in Kinshasa. Wie kamen Sie auf diese Idee?

 

Wir sind 2004 zufällig auf sie gestoßen: Wir hörten auf der Straße Musik und sahen, wie eine Gruppe von Behinderten musizierte. Wir kamen näher und wurden freundlich aufgenommen. Dabei begriffen wir schnell, dass diese Leute zwar bettelten, aber mit ihrem eigenen Repertoire.

 

Das gefiel uns sehr, so dass wir zuerst auf die Idee kamen, mit ihnen eine Platte aufzunehmen. Erst später wurde ein Film daraus, weil wir alles mit der Kamera aufnahmen, um es festzuhalten. Aber das hat fünf Jahre gedauert: Währenddessen wurde die Gruppe bekannt, und wir haben sie dabei begleitet. Heute tourt sie rund um die Welt.

 

Das pure Chaos

 

Die Bedingungen in Kinshasa sind hart. Nicht nur wegen der schlechten Infrastruktur, sondern auch wegen der mangelnden Sicherheit. In einer Filmszene sagt eine Gestalt: „Da sind Weiße – lasst uns ihnen ihre Ausrüstung klauen!“ Wie sind Sie damit klar gekommen?

 

Am Anfang hatten wir einige Probleme. Aber je länger wir dort waren, umso einfacher wurde es für uns: Wir lernten Lingala und konnten mit den Leuten sprechen. Der Bandleader hat uns einige Türen geöffnet; für ihn waren wir Teil seines musikalischen Projekts. Er hat uns auch beschützt, wenn es nötig war. Kinshasa ist in der Tat das pure Chaos.


Interview-Auszug auf Französisch


 

Europäische Sender im TV

 

Stimmt: Polizei und Behörden beschützen niemanden, sondern nutzen jeden Vorwand, um sich zu bereichern. Wie haben Sie sich damit arrangiert?

 

In Kinshasa sind die Polizisten die eigentlichen Banditen. Da sie offiziell nur 20 Dollar im Monat erhalten, aber eine Waffe haben, wollen sie auf andere Weise zu Geld kommen. Aber wenn man sie näher kennt, kann man sie mit einem Trinkgeld zufrieden stellen. Anders als bei einem Fernsehteam, das für ein paar Tage einfliegt: Die brauchen Leibwächter, um sich zu schützen.

 

Doch die Leute merken und schätzen es, wenn man sich für sie und ihre Kultur ernsthaft interessiert. Selbst Slum-Bewohner sehen fern, auch europäische Sender. Sie kennen das negative Bild, das über sie verbreitet wird. Also sind sie misstrauisch, wenn Weiße mit Filmkameras auftauchen. Aber wir haben Musiker begleitet, die hohes Ansehen genießen. In ihrem Gefolge konnten wir überall drehen.

 

Französisch ohne Akzent sprechen

 

Wie viel Zeit haben Sie in Kinshasa verbracht?

 

Zwischen 2004 und 2009 waren wir jährlich etwa sechs Monate dort. Aber wir haben auch noch ein anderes Projekt verfolgt. Denn wir mussten lange warten, bis die erste Platte von Benda Bilili herauskam, bis sie das erste Mal für Konzerte nach Europa flogen usw.

 

Die Musiker sprechen untereinander Lingala mit einigen Brocken Französisch – der übliche Sprachmix in Kinshasa. Wie haben sie sich mit ihnen verständigt?

 

Anfangs redeten wir vor allem mit dem Bandleader, der gut Französisch spricht – die anderen weniger. Doch Lingala hat eine ähnliche Sprachmelodie wie die romanischen Sprachen; Kongolesen sprechen Französisch ohne Akzent. Deshalb war es für uns nicht schwer, Lingala zu lernen. Es hat vergleichsweise wenig Wörter und benutzt viele Bilder, um etwas genauer auszudrücken. Ich finde die Sprache sehr poetisch.