Berlin + Neu-Ulm

William Wauer und der Berliner Kubismus

William Wauer: Porträt Herwarth Walden (Detail), 1917, Bronze. Foto: ohe
Das Multitalent der 1920er Jahre rühmten Zeitgenossen als Vollender des deutschen Kubismus. Nicht ohne Grund, wie eine beeindruckende Skulpturen-Ausstellung im Georg-Kolbe-Museum und Edwin-Scharff-Museum zeigt.

Ein Leben auf der Überholspur: Der 1866 geborene William Wauer studierte Malerei, wanderte aus, scheiterte in New York als Werbegrafiker, reiste durch Europa, entwarf Reklame, lernte in Berlin Regie bei Max Reinhardt, pachtete ein Theater, ging bankrott, wechselte zum Film, drehte 38 Streifen in zehn Jahren, reüssierte als Künstler, wollte die Nazis zum Expressionismus bekehren, galt als «entartet», wurde nach dem Krieg vom Kunstbetrieb rehabilitiert und erhielt kurz vor seinem Tod 1962 das Bundesverdienstkreuz.

 

Info

William Wauer und der Berliner Kubismus

 

10.04.2011 - 19.06.2011
täglich außer montags von 10 - 18 Uhr im Georg-Kolbe-Museum, Sensburger Allee 25, Berlin

 

Katalog 24,80 €

 

Weitere Informationen

 

10.09.2011 - 15.01.2012
täglich außer montags 13 - 18 Uhr, dienstags und mittwochs bis 17 Uhr, sonntags ab 10 Uhr im Edwin Scharff Museum, Petrusplatz 4, Neu-Ulm

 

Weitere Informationen

In die Kunstgeschichte ging Wauer durch seine enge Verbindung mit Herwarth Walden ein. Der «Sturm»-Galerist und Propagandist moderner Kunst begeisterte ihn für die Bildhauerei. 1916 fertigte Wauer seine erste Kleinplastik an: Der «Schlittschuhläufer» ist fast zeichenhaft mit wenigen, kantigen Formen wieder gegeben.

 

16 kubistisch arbeitende Künstler

 

1917 schuf er sein bekanntestes Werk, eine Monumentalbüste von Walden; trotz der Beschränkung auf wenige, hart abgesetzte Flächen ist die Ähnlichkeit unverkennbar. So ausdrucksstarke Porträts gelangen Wauer von mehreren Akteuren aus dem «Sturm»-Kreis.

 

Der Walden-Kopf ist oft zu sehen, doch meist als singuläres Einzelstück – wie andere stilistisch verwandte Skulpturen der Zwischenkriegszeit. Nun versammelt das Georg-Kolbe-Museum 64 Werke zu einer Ausstellung, für die es den Begriff «Berliner Kubismus» einführt: Alle 16 gezeigten Künstler wirkten zeitweise in der Hauptstadt.


Interview mit Kurator Marc Wellmann + Impressionen der Ausstellung


 

Von Archipenko bis Walter Gropius

 

Ob ihre Gemeinsamkeiten erlauben, von einer deutschen Spielart des Kubismus zu sprechen, mag die Wissenschaft entscheiden. Doch ähnliche Prinzipien treten deutlich hervor: die Reduktion auf einfache geometrische Grundformen, die Einbeziehung des Raumes, die gleichzeitige Darstellung mehrerer Perspektiven an einer Gestalt.

 

Dabei reicht das Spektrum von den dynamisch-asymmetrischen Konstruktionen von Alexander Archipenko oder Rudolf Belling über die scharfzackigen Architektur-Entwürfe eines Walter Gropius und Johannes Itten bis zu den organisch-runden Volumina von Edwin Scharff; das ihm gewidmete Museum in Neu-Ulm übernimmt die Schau im Herbst.

 

Beliebig einsetzbares Formen-Vokabular

 

Hintergrund

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Tschechischer Kubismus im Alltag - Artel 1908 - 1935" im Grassi-Museum, Leipzig.

Anfangs überwiegt die hoch gespannte Suche nach dem «Neuen Menschen». Später werden die Werke gefälliger. Wauer modelliert Köpfe der Reichspräsidenten Ebert und Hindenburg sowie Tierfiguren, die jeden Kaminsims schmücken könnten.

 

Der vormals revolutionäre Impuls erschöpft sich in einem Formen-Vokabular, das beliebig einsetz- und wiederholbar erscheint. Doch um 1920 orientieren sich etliche, sehr verschiedene Bildhauer an kubistischen Einflüssen, was die Ausstellung anschaulich vorführt – eine echte Entdeckung.