Berlin

Based in Berlin

Asaf Koriat: The Brave, 2006, Video; Foto: Based in Berlin
Weder arm noch sexy: Die Leistungsschau junger Künstler, die trotz enormen Budgets keine sein will, überflutet die Stadt mit einem Ozean mäßiger Arbeiten. Darin gehen die wenigen guten Werke unter.

Berlin sucht den Superkünstler: Von diesem Stigma kommt «Based in Berlin» nicht los. Seitdem die Senatskulturverwaltung einmal das Wort «Leistungsschau» gebrauchte, klebt es wie ein Fluch an diesem Projekt. Das liegt nicht nur am Selbstbild einer Metropole der Schlawiner und Spesenritter, das die Hauptstädter gerne pflegen. Sondern auch an seiner verwickelten Vorgeschichte.

 

Info

Based in Berlin

 

08.06.2011 - 24.07.2011

täglich 12 - 24 Uhr im Atelierhaus Monbijoupark, Oranienburger Str. 77,

 

zu üblichen Öffnungszeiten: in den Kunst-Werken, Auguststr. 69,

 

im Hamburger Bahnhof, Invalidenstr. 50-51,

 

im Neuen Berliner Kunstverein n.b.k., Chausseestr. 128 / 129,

 

in der Berlinischen Galerie, Alte Jakobstr. 124-128, Katalog 7 €

 

Website zur Ausstellung

Zu Beginn trommelten interessierte Kreise für eine Kunsthalle, die Berlin dringend brauche, um hier ansässige Künstler zu zeigen. Als gebe es in der Stadt nicht Dutzende musealer Einrichtungen und Hunderte von Galerien. Neben dem Job des Regierungschefs hatte Klaus Wowereit (SPD) soeben auch das Amt des Kultursenators übernommen und wollte zeigen, was er kann: Er machte sich die Forderung nach einer Kunsthalle zueigen.

 

Erschlagen von 1.200 Bewerbern

 

Und fiel damit bei der Zielgruppe durch: Die bestehenden Museen protestierten, weil ihnen zugleich Mittel gekürzt wurden. Die Künstler klagten, nun bekämen sie noch weniger Geld für Stipendien, Projektförderung etc. Auch das Feuilleton, das unter dem Wegfall von Seiten und Sendezeiten leidet, fand das Vorhaben überflüssig: Es könne ohnehin kaum über das Bestehende berichten.

 

Wenn Du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis: Anstatt des Kunsthallen-Baus bewilligte das Abgeordnetenhaus nur Gelder für eine Machbarkeits-Studie von Experten. Drei Top-Kuratoren wurden als «Berater» berufen, die fünf junge Kuratoren anheuerten, welche eine «Überblicks-Ausstellung» für Nachwuchs-Künstler stemmen sollten. Dieses Quintett wurde von 1.200 Einreichungen erschlagen.

 

Für Pub-Crawling-Touristen bis Mitternacht geöffnet

 

Nun ist sein Werk vollbracht: Für 1,7 Millionen Euro Budget dürfen 80 Auserwählte sechs Wochen lang an fünf Standorten ihre Künste vorführen. Dazu gibt es ein überbordendes Begleitprogramm mit täglichen Performances, Filmen, Diskussionen und Führungen. Als habe Berlin nicht 20 Theater, 200 Museen und 600 Leinwände für Kunst in allen Facetten.

 

 Video-Impressionen der Ausstellung in den KunstWerken

und dem Atelierhaus im Monbijou-Park

 


 

Zurück auf Null: Was bietet «Based in Berlin»? Zunächst, gut sozialdemokratisch, Kultur für alle: Der Eintritt ist frei. Der Katalog kostet nur sieben Euro, das Begleitprogramm drei Euro pro Nase – den Rest trägt der Steuerzahler. Die nächtlichen Pub-Crawling-Touristen auf der Oranienburger Straße dürfen bis Mitternacht das zentrale Atelierhaus im Monbijou-Park überschwemmen. Und die Kunst?

 

Gigantischer Herrenwitz oder subtile Pseudo-Realität?

 

Da liegt er nun: laut Freud der Traum jedes Mannes. Ein drei Meter langer Phallus aus Sandstein, mächtig wie ein Baumstamm. Umgeben von allerlei Accessoires wie aus einem Archäologen-Camp: Lagepläne, Fotos, Skizzen. Im fingierten Interview behauptet ein Trio, der Phallus sei in der Wüste Arabiens ausgegraben worden, doch lokale Machthaber wollten ihn verschwinden lassen.

 

Gleichviel, ob man dieses Environment als gigantischen Herrenwitz oder subtile Inszenierung von Pseudo-Realität auffasst: Zumindest scheut Simon Fujiwara keine Mühe, um seine Idee im gebotenen Maßstab umzusetzen. Dieser unbedingte Wille zur selbst definierten Wirklichkeit zeichnet gute Kunst zweifellos aus – doch bei «Based in Berlin» vermisst man ihn oft schmerzlich.