Herford

Bucky Fuller & Spaceship Earth + Wir sind alle Astronauten

R. Buckminster Fullers US-Pavillon für die Weltausstellung in Montreal, 1967; Foto: Marta Herford
R. Buckminster Fuller wurde in den 1960er Jahren als visionärer Vordenker gefeiert, dann vergessen. Nun soll ihn eine Hommage von Star-Architekt Norman Foster im MARTa Herford rehabilitieren: Besser ist die Begleitschau.

Rudolf Steiner des technischen Zeitalters

 

40 Jahre später richtet Foster seinem Ex-Partner eine Retrospektive aus, die nach Madrid nun im MARTa Herford gezeigt wird. Sie ist so gediegen und opulent geraten, wie man das von einem zum Lord geadelten Star-Architekten erwarten darf. Und so konzise, wie es seinem Großbüro mit wenig Zeit geziemt: Kurze Einführungen in Buckys Schaffensphasen, dazu reichlich Anschauungsmaterial. Foster ließ Fullers Entwürfe als Modelle konstruieren und fährt den letzten erhaltenen „Dymaxion-Car“ auf. Sogar dessen nie gebauter Nachfolger ist präsent: als aufwändige Computer-Simulation.

 

Nur eines fehlt: das Kratzen am Denkmal. Anstatt jeweils den Mathematiker, Baumeister, Designer und Theoretiker Fuller gesondert zu betrachten und zu fragen, welche seiner Initiativen heute noch Bestand haben, wird eine angestaubte Legende aufgewärmt: Dieser Rudolf Steiner des technischen Zeitalters könnte die Menschheit retten, wären seine Schriften nicht seltsamerweise in Vergessenheit geraten. Was leicht zu erklären ist: Die Welt braucht derzeit keine selbsternannten Universalgenies, die mit Bauplänen Erlösung versprechen.

Impressionen der Ausstellung im MARTa Herford


 

Wie Gedenkfeier für toten Onkel

 

Fosters Werkschau ist eine reine Hommage – allerdings wie eine Gedenkfeier für den verstorbenen Onkel: Man preist vollmundig seine Großtaten und freut sich dabei augenzwinkernd, dass er niemandem mehr in den Ohren liegt. Dagegen geht der Herforder Eigenbeitrag differenzierter und produktiver mit Fullers Erbe um: „Wir sind alle Astronauten“ versammelt 22 zeitgenössische Künstler, in deren Arbeiten Buckys Ideen fortwirken.

 

Das Spektrum ist erstaunlich breit. Ai Weiwei hat eine Reihe von Fullers Vielecken als Holz- oder Stahlgebilde anfertigen lassen. Björn Dahlem montiert sie zu ätherisch im Raum schwebenden Neon-Skulpturen. Auch die Bio-Op-Art von Olafur Eliasson ist stark von Buckys Formenwelt beeinflusst: etwa der „Model Room“ voller Objekte, den er im Sommer 2010 im Gropius-Bau ausstellte, oder der „Blind Pavillon“, der zur gleichen Zeit auf der Pfaueninsel stand. Lucas Lenglet macht dagegen auf totalitäre Züge in Fullers Winkel-Denken aufmerksam: Sein Bucky-Bohrturm besteht aus Panzersperren.

 

Foster baut Buckys Luftschlösser

 

Zwar gemeindet die Schau zu großzügig ein: Nicht jeder Künstler, der sich geometrischer Formen bedient, ist deshalb schon ein Fuller-Adept. Doch biomorphe Formen und Prinzipien, die Bucky beschwor, sind heute in Kunst und Technik weit verbreitet. Vielleicht war Fuller der erfolgreichste Konzeptkünstler des 20. Jahrhunderts, der sich als Designer und Architekt tarnte? Jedenfalls ist Foster sein bester Schüler: Er baut tatsächlich die wegweisend umweltverträglichen Gebäude, von denen Bucky nur geredet hat.