
Cy Twombly ist der vermutlich kryptischste Großkünstler der Gegenwart – seine mit allerlei Schraffuren, Kritzeleien und Collagen bedeckten Leinwände geben seit fünf Jahrzehnten dem Kunst-Publikum Rätsel auf. Das reagiert entsprechend. Der kleinen Schar seiner Verehrer steht eine Mehrheit gegenüber, die ihn achselzuckend ablehnt.
Info
Cy Twombly:
Fotografien 1951 - 2010
07.04.2011 - 10.07.2011
täglich außer montags 10 - 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr im Museum Brandhorst, Theresienstraße 35 a, München
Katalog 38 €
17.07.2011 - 30.10.2011
täglich außer montags 11 - 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr im Museum für Gegenwartskunst, Unteres Schloss 1, Siegen
Unscharf, unter- oder überbelichtet
Allerdings verweigert sich der US-Amerikaner auch mit der Kamera jedem Anspruch auf Eindeutigkeit. Das zeigen die rund 100 Fotografien – die meisten aus den letzten Jahren – die derzeit im Museum Brandhorst zu sehen sind; danach wandert die Schau nach Siegen.
Seine Bilder unterlaufen alle Standards, die gemeinhin für gute Fotos gelten: Sie sind unscharf, unter- oder überbelichtet, grobkörnig, oft vergilbt oder ausgeblichen – und im aufwändigen Dryprint-Verfahren gedruckt, das diese Mängel besonders deutlich hervortreten lässt.
Impressionen der Ausstellung
Mischung aller Farben ergibt Grau
Die Motivwahl ist an Banalität kaum zu überbieten. Welkes Gemüse, schmutziges Geschirr, Ramsch in der Garage oder beim Trödler, irgendwelche Ecken im Atelier oder auf Hinterhöfen, wo alles Mögliche herumliegt. Twombly unterlässt es, dieses Treibgut des Alltags durch ausgewählte Perspektiven oder Lichtführung optisch aufzuwerten.
Die Kuratoren fühlen sich an den Piktorialismus der Jahrhundertwende erinnert, der Fotos qua Unschärfe Gemälden gleichstellen wollte; sie sehen «beinahe konstruktivistische Stillleben» und eine «spielerische Adaption von Informel und Monochromie» am Werk. Lies: Diese Fotos vereinten die halbe Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Doch die Mischung aller Farben ergibt stumpfes Grau.
Schnappschüsse auf Lomo-Niveau
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Turner - Monet - Twombly: Later Paintings" in der Staatsgalerie Stuttgart
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Übermalt. Verwischt. Ausgelöscht" zum Porträt im 20. Jahrhundert mit Werken von Cy Twombly in der Hamburger Kunsthalle.
Zuweilen passt seine Sabotage technischer Perfektion zum Sujet: So gelingen ihm interessante Landschafts-Aufnahmen und Detail-Studien – die berühren, gerade weil verwaschene Farbfelder zu einem diffusen Gesamteindruck zusammenlaufen. Doch meist bleiben seine Schnappschüsse auf dem Niveau von Lomo-Fotografie: Spontan aus der Hüfte abgelichtet und eilends entwickelt. Derlei Dutzendware wird auch durch einen berühmten Namen nicht besser.