Berlin

Der chinesische Lustgarten

Anonymer Maler: Liebesspiele im Frühlingsgarten; Foto: © Sammlung Ferdinand Bertholet
Sinnestaumel auf Chinesisch: Das Museum für Asiatische Kunst zeigt Bilder, die am Kiosk nur mit schwarzen Balken zu sehen sind. Die liebevoll gestaltete Ausstellung verrät viel über vergangene Alltagskultur.

Nackte Tatsachen in seidenem Gewand: Wenn Pornographie die Darstellung primärer Geschlechtsorgane ist, um Erregung hervorzurufen, wie das Verfassungsgericht definiert, dann zeigt das Museum für Asiatische Kunst zurzeit harte Pornographie. Allerdings in erlesenem Rahmen: Die Motive aus der Privatsammlung von Ferdinand Bertholet sind so liebevoll und sorgfältig gestaltet wie ihre Inszenierung in drei Räumen.

 

Info

Der chinesische Lustgarten

 

14.05.2011 - 14.08.2011
täglich außer montags 10 - 18 Uhr, am Wochenende ab 11 Uhr im Museum für Asiatische Kunst, Lansstraße 8, Berlin-Dahlem

 

Weitere Informationen

«Frühlingsbilder» («chunhua» oder «chungong») heißen sie auf Chinesisch, und wer dabei an Frühlingsgefühle denkt, liegt richtig: Sie sind ein Synonym für Erotika. Zwischen dem 16. und frühen 20. Jahrhundert wurden die Bilder meist von anonymen Malern in Werkstätten nach Vorbildern angefertigt und in Alben gebunden – als anregende Bettlektüre. Doch diese Serienproduktion mindert nicht ihre Qualität.

 

Pikante symbolische Details

 

Im Gegensatz zu westlicher oder japanischer Pornographie («shunga»), die auf Geschlechtsakte reduziert ist, betten sie «Chunhua» oft in üppige Landschaften oder Interieurs ein. Die stecken voller pikanter Anspielungen oder symbolischer Details. Da wachsen Zweige durch Maueröffnungen, umschlingen sich Baumkronen und turteln Schwalbenpaare. Taucht ein Papagei auf, ist Vorsicht geboten: Er könnte einen Seitensprung verraten.

 

Impressionen der Ausstellung

 


 

Die raffinierten Kompositionen sind eine wichtige Quelle für Sozialhistoriker: Sie erzählen viel über Geschlechterbeziehungen und Alltagskultur, was sonst in Chinas Kunst kaum vorkommt – etwa von der Obsession mit so genannten «Lotosfüßen».

 

Bordell namens «Frühlingssehnsucht»

 

Dafür wurden weibliche Füße mit Bändern am Wachstum gehindert. Der schmerzhaften Prozedur unterzogen sich vor allem höher gestellte Frauen. Für Männer waren kleine Füße ein artifizielles, sehr erotisches Geschlechtsmerkmal: Was sie damit anstellten, führt die Schau in allen Variationen vor.

 

Das delikate Thema wird im Dahlemer Museum herzallerliebst aufbereitet. Der Eingang ist als Pforte eines traditionellen Bordells angelegt – es nannte sich «Frühlingssehnsucht». Kleine Lampions verbreiten dezente Rotlicht-Atmosphäre; Wände in kräftigen Farben lassen die zarten Tusche-Zeichnungen umso leuchtender wirken.

 

Schwule «Freunde des abgeschnittenen Ärmels»

 

Zur Schaulust gesellt sich das Vergnügen, aufgeklärt zu werden: Sachkundige Legenden entschlüsseln fernöstliche Besonderheiten des Liebesspiels und seiner Metaphorik. So wurden Homosexuelle auch «Freunde des abgeschnittenen Ärmels» genannt.

 

Der mythische Kaiser Ai hatte einst den Ärmel seines Umhangs abgeschnitten, auf dem sein Geliebter schlief, um ihn nicht zu wecken. Auch diesem Freundeskreis wird einiges geboten – da kommen alle Vorlieben auf ihre Kosten.