Berlin

Die Sammlung des Bankiers Wagener

Karl Friedrich Schinkel: Gotische Kirche auf einem Felsen am Meer, 1815, Öl auf Leinwand, 72 x 98 cm. Foto: © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Jörg P. Anders
Wie ein Kunstsammler die Einrichtung der Nationalgalerie erzwang: Zum 150. Geburtstag feiert das Museum seinen heimlichen Gründer mit einem herrlichen Rückblick auf seine Kollektion.

Derlei ist heutzutage üblich: Große Sammler übergeben ihre Kollektion als Schenkung oder Dauerleihgabe der öffentlichen Hand. Mit der Auflage, ein passendes Gebäude bereit zu stellen – oder am besten neu zu bauen. So erhalten Städte ein neues Museum, ohne Ankaufs-Etat prall gefüllt – und müssen die Folgekosten tragen. Während der Sammler seinen Namen am Kunsthimmel verewigt.

Info

Die Sammlung des Bankiers Wagener: Die Gründung der Nationalgalerie

 

23.03.2011 - 08.01.2012

täglich außer montags 10 - 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr in der Alten Nationalgalerie, Museumsinsel, Berlin

 

Katalog 29,90 €

 

Website zur Ausstellung


Nichts Neues unter der Sonne: Joachim Heinrich Wagener (1782 – 1861) hat das bereits 1859 vorgemacht, als er seine Sammlung von 262 Gemälden dem preußischen Staat vermachte. Dennoch verblüfft, mit welcher Chuzpe er den Monarchen subtil unter Druck setzte: «Ich überlasse es ganz dem Allerhöchsten Ermessen, ob diese Sammlung verstärkt und fortgeführt werden soll, um zu einer nationalen Gallerie heranzuwachsen», schrieb Wagener in seinem Testament.

 

Stifter rangiert vor der Nation


Der Bankier bekam seinen letzten Willen: Kaum war er tot, nahm Wilhelm I. die Schenkung an und steuerte noch 22 Bilder aus seinem Besitz bei. Am 22. März 1861 eröffnete im alten Akademie-Gebäude Unter den Linden die «Wagnersche und National-Galerie» – wohlgemerkt: Der edle Stifter rangierte vor der Nation!

 

Wer wissen will, was dort zu sehen war: Der Katalog enthält ein Faksimile des damaligen Verzeichnisses aller Gemälde nebst ausführlichen Kommentaren. 15 Jahre später wurde der Bau auf der Museumsinsel eingeweiht; der Rest ist deutsche Kulturgeschichte.


Impressionen der Ausstellung


 

Saatchi des 19. Jahrhunderts

 

Deshalb feiert die Nationalgalerie ihr 150-jähriges Bestehen. Sie gedenkt ihres eigentlichen Gründers mit der schönsten Hommage, die sich denken lässt: einer Rekonstruktion seiner Sammlung, die zur Keimzelle ihres Bestandes wurde. Wageners Stellung in der Kunst des 19. Jahrhunderts ist kaum zu überschätzen: Er förderte Maler, vergab Aufträge und setzte Trends. Seine Position lässt sich mit der von Renaissance-Päpsten und heutigen Mega-Sammlern wie Peter Ludwig oder den Saatchi-Brüdern vergleichen.

 

140 Gemälde aus seinem Besitz zeigt die Nationalgalerie im Obergeschoss – geschickt in die ständige Ausstellung integriert. So wird deutlich, welche immense Bedeutung seine Spende hatte: Zentrale Motive des nationalen Bildgedächtnisses stammen von Wagener. Etwa «Mondaufgang am Meer», das wohl am häufigsten reproduzierte Ölgemälde der deutschen Romantik: Der Bankier hatte es 1822 mit dem Bild «Der einsame Baum» bei Caspar David Friedrich bestellt.

 

100 Goldtaler für «Gotische Kirche»

 

Allein von Karl Friedrich Schinkel besaß Wagener elf Gemälde – Grundstock der heute größten Schinkel-Kollektion. Mit seiner «Gotischen Kirche auf einem Felsen am Meer» von 1815, für die der Finanzmann 100 Goldtaler zahlte, begann auch seine Sammelleidenschaft.  Als Spross einer kunstsinnigen Familie begeisterte er sich für die demokratischen Ideale seiner Zeit.