Isabella Rossellini

Die Einsamkeit der Primzahlen

Mattia und Michela auf dem Weg zur Geburtstagsfeier: Er wird sie im Stich lassen. Foto: © Copyright: NFP / Bavaria Pictures
(Kinostart: 10.8.) Postmodernes Biedermeier: Alice und Mattia, beide emotional versehrt, schmachten einander seit Kindertagen an. Die Verfilmung eines italienischen Erfolgsromans gerät zur bleischweren Ode auf unerfüllte Jugendliebe.

«Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb, sie konnten zusammen nicht kommen…»: Die Volkslied-Legende von der unerfüllten Liebe zweier Auserwählter hat Paolo Giordano für das 21. Jahrhundert aktualisiert. Sein Debüt «Die Einsamkeit der Primzahlen» war 2008 der erfolgreichste Roman in Italien und verkaufte sich auch hierzulande gut.

 

Info

Die Einsamkeit der Primzahlen

 

Regie: Saverio Constanzo, 118 min., Italien/ Deutschland 2010;

mit: Alba Rohrwacher, Luca Marinelli, Isabella Rossellini

 

Offizielle Website

Offenbar erkennen sich viele Leser in den Hauptfiguren Alice und Mattia wieder: Beide leiden seit Kindertagen an einem Handicap. Alice wurde von ihrem Vater auf die Skipiste gescheucht, stürzte schwer und humpelt seither. Mattia ließ als Grundschüler seine behinderte Schwester kurz im Stich, die dabei spurlos verschwand – diese Schuld kann er nicht verwinden.

 

Als Teenager nie geknutscht haben

 

Die beiden Außenseiter kommen sich als Teenager näher, aber nie wirklich zusammen; sie verbindet, dass sie anders als alle Gleichaltrigen nie geknutscht haben. Während Alice erfolgreiche Fotografin wird und heiratet, bleibt Mattia ein Einzelgänger. Der hoch begabte Mathematiker wandert nach Deutschland aus und arbeitet einsam in einem Forschungsinstitut. Auch akademische Ehren reißen ihn nicht aus seiner an Autismus grenzenden Isolation – bis Alice wieder auftaucht.


Offizieller Film-Trailer


 

Lange Blicke und sehnsüchtige Seufzer

 

Kriegen sie sich, oder kriegen sie sich nicht? Die Existenz-Frage aller bunten Blätter hält auch diesen Film zusammen. Zwar löst Regisseur Saverio Constanzo die lineare Fabel der Vorlage in ein Mosaik aus Vor- und Rückblenden auf, aber dieser Kunstgriff verleiht ihm keinen Glanz.

 

Dazu ist die Geschichte zu spannungsarm. Außer überraschungsfreiem Heranwachsen zweier Bürgerkinder passiert nicht viel. Wo der Roman ihre Hemmungen und Komplexe ausführlich in inneren Monologen ausbreitet, bleiben ihnen auf der Leinwand nur lange Blicke und sehnsüchtige Seufzer. Ihre wortkarge Introvertiertheit verkörpern Alba Rohrwacher und Luca Marinelli perfekt – zu perfekt für einen Kinofilm.

 

Verfehlt geregeltes Leben

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

Selbst Isabella Rossellini als Mattias Mutter kann gegen die bleischwere Atmosphäre eines sinnlosen Daseins nichts ausrichten. Vielleicht macht gerade dies den Stoff für junge Italiener so attraktiv: Das Gefühl, trotz geregelter Verhältnisse ein verfehltes Leben zu führen. Dabei legt ihnen das Buch einen falschen Umkehrschluss nahe: Nicht jeder, der nach trauriger Kindheit seiner Jugendliebe nachtrauert, ist ein kreatives oder Mathe-Genie.