Alexej Popogrebsky

How I ended this summer

Grigory Dobrygin springt zum Zeitvertreib über ausgediente Ölfässer; Foto: Fugu Filmverleih
(Kinostart: 1.9.) Endspiel im ewigen Eis: Alexej Popogrebskys Psychodrama am Polarkreis, das bei der Berlinale 2010 mit drei Silbernen Bären ausgezeichnet wurde, ist ein minimalistisches Meisterwerk.

Ein Tag, der einen ganzen Sommer lang dauert. Ein Kammerspiel in unendlichen Weiten. Ein verbaler Schlagabtausch fast ohne Worte. Und ein absonderlicher Attentatsversuch, der so nur auf dem Boden der Nuklearmacht Russland vorstellbar ist. Regisseur Alexej Popogrebsky hat seinen dritten Spielfilm aus derart exzentrischen Elementen komponiert, dass er im Wettbewerb der Berlinale 2010 absolut einzigartig dastand. Dafür wurde er mit drei Silbernen Bären ausgezeichnet, davon zwei für die beiden Schauspieler.

 

Info

How I ended this summer

 

Regie: Alexej Popogrebsky, Russland 2010, 129 min.;
mit: Grigory Dobrygin, Sergei Puskepalis

 

Weitere Informationen

Nur zwei Männer treten auf – drei weitere kommen als Stimmen aus dem Funkgerät. Der Hauptdarsteller von «How I Ended This Summer» ist aber die Arktis. Eine Welt wie am ersten Schöpfungstag: Bleierne Wellen schlagen monoton grollend gegen scharfkantige Felsen, Eisschollen schleudern grelle Lichtreflexe, und die Erde ist bis zum Horizont unter totem Geröll begraben. In der metaphysischen Einsamkeit dieser Einöde verlieren sich die Protagonisten wie Sandkörner. Und ihre Verbindung zur Zivilisation ist so dünn wie einer der seltenen Grashalme.

 

Atom-Schrott am Strand

 

Auf einem entlegenen Posten in der Polarregion beobachtet der Meteorologe Sergej seit mehreren Jahren das Wetter. Sein Job könnte eintöniger kaum sein. Mehrmals täglich muss er zahllose Messwerte ablesen und per Funk an ein Forschungsinstitut durchgeben. Der junge Hochschulabsolvent Pawel dagegen ist erst seit kurzem hier. Er hilft Sergej etwas aus; ansonsten haben beide wenig zu tun.

 

So erlaubt sich jeder kleine Freiheiten: Sergej fährt mit dem Motorboot zum Fischen, Pawel tollt durch die Gegend. Als Spielmaterial dient ihm der Schrott, der sich seit Gründung der Station vor 80 Jahren angesammelt hat. Darunter auch eine ausrangierte Atom-Batterie, die ungeschützt am Strand herumsteht.

 

Offizieller Video-Trailer

 


 

Dann fängt Pawel einen für Sergej bestimmten Funkspruch ab, den weiterzugeben er sich nicht traut. Der Ältere merkt das, hakt nach und tritt damit eine Lawine des Misstrauens los. In dieser reizarmen Umgebung reißt jede scharfe Bemerkung eine seelische Wunde auf, die nicht mehr schließen will. Als Pawel endlich die fatale Nachricht Sergej ins Gesicht schreit, vergiftet das vollends ihr Verhältnis. Zumal beide nicht mehr hoffen, bis zum Einbruch des Polarwinters ihrer Eishölle entfliehen zu können.

 

«Stalker» ohne Kernschmelze

 

Im schweigsamen Duell der beiden Hauptfiguren fungiert der unwirtliche Schauplatz als Schiedsrichter. Brandung, Nebel und Schneefelder entscheiden über den Ablauf des Geschehens.

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

Das bannt Kameramann Pawel Kostomarow in betörende Bilder: Seit den «Seascapes» des japanischen Künstlers Hiroshi Sugimoto hat niemand das subtile Spiel von Grautönen so nuanciert aufgenommen wie er.

 

Unverkennbar steht der Film in der Nachfolge von Andrej Tarkowskijs düsterem Kino-Epos «Stalker», in dem Mensch und Natur sich gegenseitig ruinieren. Regisseur Popogrebsky erweist ihm seine Referenz: Pawel spielt häufig ein Egoshooter-Game namens «Stalker – Schatten von Tschernobyl». Nur kommt dieses Remake ganz ohne Kernschmelze aus; das macht es zum minimalistischen Meisterwerk.