Subadeh Mortezai

Im Bazar der Geschlechter

Nur eine Formalität: Ein Paar lässt seine Zeitehe vom Mullah beglaubigen. Foto: W-Film
(Kinostart: 4.8.) Die strenge Sexualmoral im Iran kennt ein Schlupfloch: die Ehe auf Zeit. Regisseurin Mortezai porträtiert Mullahs, Machos und Kupplerinnen – das fesselnde Sittenbild einer Gesellschaft voller Widersprüche.

Freie Liebe ist im Iran ein gefährlicher Spaß: Sex zwischen Unverheirateten wird mit 100 Peitschenhieben bestraft, Ehebruch mit Steinigung. Aber es gibt einen legalen Ausweg: die Ehe auf Zeit. Sie kann von einer Stunde bis 99 Jahren dauern. Jeder darf sie eingehen, auch Verheiratete, und zwei Bedingungen müssen erfüllt sein: Die Partner einigen sich auf Laufzeit und Brautpreis.

 

Info

Im Bazar der Geschlechter

 

Regie: Subadeh Mortezai, 84 min., Österreich/ Deutschland 2009;

mit: Mohsen Mahmudi, Reza Eskandari, Mehri Ramezani

 

Offizielle Website

Die Zeitehe ist allein im schiitischen Islam zulässig und wird nur im Iran offen praktiziert. Allerdings nicht ganz offen, zeigt Subadeh Mortezais Dokumentarfilm: Sie gilt als anrüchig und wird häufig vor Nachbarn und Freunden, selbst vor der eigenen Verwandtschaft verborgen. Diese geheimnisumwitterte Einrichtung beleuchtet die Exil-Iranerin vermutlich zum ersten Mal mit der Kamera.

 

Geduldig begleitet Mortezai ihre Hauptfiguren: einen jungen Mullah, der wortgewaltig die segensreiche Wirkung der Zeitehe und die Weisheit des Koran preist – aber seine Kleriker-Kluft ablegt, bevor er schick Essen geht. Ein eingefleischter Junggeselle, der schon einige Zeitehen hinter sich hat – aber als Single keine Wohnung mieten kann. Gern schaut er bei seiner letzten Flamme vorbei, die ihn bewirtet und weiter verkuppeln will – und hernach über ihre Einsamkeit klagt.

Offizieller Filmtrailer, OmU


 

Andere Ex-Zeitehegattinnen klagen über Männer, die gewalttätig wurden und keinen Unterhalt für ihre Kinder zahlen. Oder klatschen über einen Richter, der Beischlaf als Bezahlung fordert, bevor er eine Scheidung vollzieht. Dabei suchen alle unverdrossen weiter nach dem Liebesglück. Orakelt und geweissagt wird überall: in der Frauenrunde aus dem Kaffeesatz, in der Moschee durch den erstbesten Geistlichen oder im Büro des Großayatollahs, der Ratsuchende am Telefon mit kurzen Sinnsprüchen abfertigt.

 

Affäre mit heimlicher Geliebten

 

So entsteht das fesselnde Sittenbild einer Sexualmoral voller Schlupflöcher. Die nutzen alle aus, um ihren Schnitt zu machen: von Notar-Gebühren über Brautgeld bis zu Lebensunterhalt. Dass die Zeitehe vor allem eine Finanz-Affäre ist, wird überdeutlich. Doch von legalisierter Prostitution zu sprechen, ginge zu weit – zumindest in dem Mittelstands-Milieu, in dem Mortezai recherchiert.

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

Eher handelt es sich um die geduldete Variante dessen, was man hierzulande Affäre mit einer heimlichen Geliebten nennt – die oft nach kurzer Zeit scheitert. Wobei Machos die Spielregeln bestimmen: Für den Klerus ist die Zeitehe nur eine Abart der vom Koran erlaubten Polygamie. Männer dürfen sexuelle Erfahrungen sammeln, Frauen sollen keusch bleiben. Als ein junger Blogger, dessen Website über Zeitehe die Zensur gesperrt hat, diesen Widerspruch dem Mullah vorhält, fragt der nur: «Auf welcher Seite stehst Du eigentlich – der der Männer oder der Frauen?»