Köln

Lawrence von Arabien – Genese eines Mythos

Werbetafel für einen Supermarkt in Jordanien; Foto: © Mamoun Fansa, Oldenburg, 2010
Erfinder der Arabellion: Lawrence von Arabien prägte den modernen Guerilla-Krieg, wählte Könige aus – und übersetzte Homer. Doch zum Helden machte ihn erst eine Multimedia-Show, zeigt das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln.

Im Oktober 1918 zogen Emir Faisal und sein britischer Mentor siegreich in Damaskus ein. Doch beide verloren den Frieden: Frankreich beanspruchte Syrien und vertrieb den Araber-Fürsten. Entschädigung bot erst die Konferenz von Kairo 1921: Faisal wurde König des Irak, sein Bruder Abdallah zum Monarchen von Jordanien. Ihr Vater fühlte sich betrogen und überwarf sich mit den Briten; deshalb stieg Ibn Saud 1925 zum Herrscher Saudi-Arabiens auf.

 

Hauptwerk in 200 Exemplaren

 

Da hatte sich Lawrence längst bei der Royal Air Force verpflichtet. Während er Flugzeuge testete und Schnellboote entwarf, feilte er an seinem Manuskript zu «Die Sieben Säulen der Weisheit». Diese Mischung aus Kriegsbericht, Lebensbeichte und Privat-Philosophie erschien 1926 in einer Luxus-Edition von kaum 200 Exemplaren. Deren extrem aufwändige Herstellung mit mehr als 100 Kunstdrucken ruinierte fast ihren Verfasser.

 

Lawrence sanierte seine Finanzen mit der gekürzten Volksausgabe «Aufstand in der Wüste», die 1927 ein Bestseller wurde. Der Wirbel um seine Person, den Thomas’ Show-Tournee entfacht hatte, hielt an: Erfundene Sensations-Meldungen füllten die Boulevard-Presse. Dem entzog sich der Luftwaffen-Angehörige durch Klassiker-Lektüre: Er übersetzte Homers «Odyssee». 1932 erschienen, gilt sie als eine der besten Prosa-Übertragungen ins Englische.

 

Bibliophiler Staatengründer

 

Diesen Lebenslauf schillernd zu nennen, wäre wohl stark untertrieben. Bibliophile Archäologen, die indigene Völker zu Heeren formen und neue Staaten gründen, um später mit Künstlern und Druckern an Schrifttypen und Schmuck-Initialen zu feilen, hat die Welt seither nicht mehr gesehen. Der Ausnahme-Erscheinung wird die Ausstellung gerecht, indem sie alle Stationen seiner Biographie gleichermaßen anschaulich beleuchtet.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Die geretteten Götter aus dem Palast von Tell Halaf" im Pergamonmuseum, Berlin

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung „Das fremde Abendland? Orient begegnet Okzident von 1800 bis heute“ im Badischen Landesmuseum, Karlsruhe

 

und hier einen Bericht über eine Ausstellung zu Carl Richard Lepsius, den Begründer der Ägyptologie, im Neuen Museum, Berlin.

 

Auf Fotos und Fundstücke aus Frankreich und Palästina folgen Karten und Militaria von Feldzügen, Ölbilder britischer Kriegsmaler und Illustrations-Entwürfe für Buchprojekte. Auch Devotionalien des Kults um Lawrence ab den 1920er Jahren sind großzügig ausgebreitet; derart zügellose Heldenverehrung ist hierzulande seit dem Zweiten Weltkrieg ungebräuchlich.

 

Ruinen im sandigen Niemandsland

 

Was von Lawrence teils idealistischen, teils militärisch kalkulierten Ambitionen übrig blieb, seinen arabischen Freunden zu blühenden Nationalstaaten zu verhelfen, zeigen aktuelle Bilder des Kölner Fotografen Boris Becker.

 

Er ist die Strecke der einstigen Hedjaz-Eisenbahn entlang gefahren. Sie verlief von der Türkei über Damaskus nach Amman und Südjordanien und sollte bis Mekka führen: um Pilger und osmanische Truppen zu transportieren.

 

Becker fand ein sandiges Niemandsland: verrostete Schienen, schrottreife Waggons und bröckelnde Bahnhöfe im Nirgendwo. Ihre Ruinen stehen so unwirklich zeitlos in der Einöde wie Berggipfel und ausgetrocknete Wadis. In den letzten 90 Jahren haben hier weder die Dynastie der Saudis noch die der Haschemiten in Jordanien irgendetwas zuwege gebracht – von den Assads in Syrien ganz zu schweigen.