
Vor unvordenklichen Zeiten, die kaum ein Vierteljahrhundert her sind, waren deutsch-deutsche Ferienfreuden streng getrennt. Einer der wenigen Orte, an denen sich Deutsche aus Ost und West begegneten, war der ungarische Plattensee.
Info
Westwind
Regie: Robert Thalheim, 89 min., Deutschland 2011
mit: Friederike Becht, Luise Heyer, Franz Dinda, Volker Bruch
Genau das passiert Isabel und Doreen aus Leipzig: Sie verpassen ihren Bus ins Ruderer-Trainingslager und werden beim Trampen von Arne und Nico aus Hamburg mitgenommen. Die fangen Feuer und stellen den Mädchen nach. Das Pionier-Zeltlager ist eingezäunt wie die DDR, aber Maschendraht durchlässiger als die Mauer: Gemeinsam unternehmen sie Ausflüge ins Devisen-Hotel und die Urlauber-Disco.
Bis die Wessies ihren neuen Flammen vorschlagen, sie im Käfer außer Landes zu schmuggeln. Aus einem Ferien-Flirt wird unversehens Republikflucht – gedeckt vom Ruder-Trainer, der dafür Repressalien befürchten muss.
Offizieller Video-Trailer
Der Titel „Westwind“ weckt bei älteren Kinogängern unangenehme Erinnerungen: An den Hollywood-Schinken „Mit dem Wind nach Westen“ von 1982 über eine Flucht mit dem Fesselballon aus der DDR oder den Scorpions-Heuler „Wind of Change“, der zur inoffiziellen Hymne der Wendejahre avancierte. Beide Assoziationen tun diesem Film Unrecht: Er ist um Klassen besser.
Ost überholt West bei Coolness und Nervenstärke
Robert Thalheim hat einen perfekten period movie gedreht, der die Atmosphäre der späten 1980er Jahre kongenial heraufbeschwört. Als keiner mehr an den Sinn der Block-Konfrontation glaubte, aber ihre Rituale wie in Beton gegossen wirkten. Und wie es sich für einen guten Historienfilm gehört, ist er liebevoll ausgestattet.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Alles stimmt: die Songs aus dem Autoradio, Klamotten und Frisuren, kleine Gesten und lockere Sprüche. Wobei die Mädels keine Provinz-Trinen sind, die von edlen Rittern in die weite Welt entführt werden, sondern die hanseatischen Bürgersöhnchen an schnippischer Coolness locker überbieten.
Und an Nervenstärke: Was es bedeutete, mit dem bisherigen Leben radikal zu brechen und im Kofferraum alles auf eine Karte zu setzen, macht der Film drastisch deutlich. Eine bittersüße Liebesgeschichte als federleichte Lektion über die allerjüngste ferne Vergangenheit.