Seit 1994 installiert das Rohkunstbau-Festival alljährlich ortsbezogene Werke zeitgenössischer Künstler in einem Schloss des Bundeslands – zunächst in Groß Leuthen, dann in Sacrow, mittlerweile in Marquardt bei Potsdam. Anfangs wurde die Sommerschau als Pioniertat gefeiert: Gegenwartskunst in der brandenburgischen Provinz war rar.
Info
XVIII. Rohkunstbau - Macht
01.07.2011 - 11.09.2011
freitags 14 - 19 Uhr, samstags und sonntags 12 - 19 Uhr im
Schloss Marquardt, Hauptstr. 14, Potsdam-Marquardt
Kupferstange als Machtsymbol
Was die gezeigte Kunst mit dem ambitionierten Motto zu tun hat, bleibt Geheimnis von Kurator Mark Gisbourne. Manche der detaillierten Erläuterungen wirken unfreiwillig komisch. Da wird etwa eine Kupferstange zum «klassischen Macht-Symbol» erklärt, abstrakte Farbschleifen sollen die «Macht der Natur manifestieren» oder eine Plastik aus buntem Dosenblech die «Macht der Konsum- und Kommerzwelt» darstellen.
Impressionen der Ausstellung
Zum Glück kümmern sich die Künstler wenig um Gisbournes Vorgabe. Die meisten Arbeiten wurden für Schloss Marquardt angefertigt und nutzen geschickt dessen Eigenheiten. Ende des 19. Jahrhunderts im Neorenaissance-Stil umgebaut, prunkt das derzeit leer stehende Herrenhaus mit geräumigen Sälen, holzvertäfelten Wänden und einem mächtigen Kamin.
Trägerrakete in der Wendeltreppe
Im Obergeschoss überfällt «The Hierarchy Problem» von Judy Millar den Besucher: Rot und schwarz bemalte Papierbahnen bauschen sich wie riesige Wogen, als wollten sie das Zimmer sprengen. Nebenan hat Oswaldo Maciá einen Brunnen aus Badewanne und Becken aufgebaut, in dem Rohöl zirkuliert; die pechschwarze Flüssigkeit und ihr beißender Geruch verwandeln den Raum in eine archaische Raffinerie mit obskurem Zweck.
Die Wendeltreppe im Schlossturm füllt eine Trägerrakete aus: Mariele Neudecker hat sie in Originalgröße abgepaust; nun schießt sie fast durch die Decke. Das Foyer mit Freitreppe dominiert der «Accelerator» von Mariana Vassileva. Über einem laufenden Automotor schwebt ein leuchtendes Drahtgebinde; teils Heiligenschein, teils Dornenkrone. Maschinenlärm und Neonlicht kontrastieren eindrucksvoll mit dunkler Wandverkleidung.
Spukschloss mit Abkühlung
Hintergrund
Lesen Sie hier eine kultiversum-Rezension des 17. Rohkunstbau-Festivals 2010
und hier einen Beitrag über die Ausstellung von Marc Brandenburg in der Hamburger Kunsthalle.
So wird Marquardt zum Spukschloss, in dem hinter jeder Ecke Überraschungen lauern. Nach Staunen und Schrecken bietet sich Abkühlung im Schlänitzsee an: Kein Rohkunstbau-Standort ohne Parkanlage und Badestelle. Als All-inclusive-Ziel für Wochenendausflüge bleibt die Ausstellung einzigartig: Wo sonst kann man Rundgang mit Picknick und Schwimmen kombinieren?