Gong Li + Franka Potente

Shanghai

Letzter Ausgang Hauptbahnhof: Viele Einwohner wollen aus dem untergehenden Shanghai fliehen; Foto: Senator Film
(Kinostart: 15.9.) Als wäre «Casablanca» gestern gedreht worden: ein opulent inszenierter und glänzend gespielter Spionage-Thriller alter Schule. Chinas Metropole liefert die morbide Kulisse für eine Reprise der goldenen Hollywood-Ära.

Shanghai 1941: von Japan besetztes internationales Territorium, eine Woche vor dem Angriff auf Pearl Harbour. Der US-Agent Paul Soames (John Cusack) kommt in die Metropole Südchinas, um seinen Kollegen Connor zu treffen. Der wurde soeben erschossen. Beim Versuch, den Mord aufzuklären, sticht Soames in ein Wespennest: Bald wird er sowohl von japanischen Militärs als auch chinesischen Gangstern gejagt.

 

Info

Shanghai

 

Regie: Mikael Hafström, USA 2010, 105 min.;
mit: John Cusack, Gong Li, Chow Yun-Fat, Franka Potente

 

Offizielle Website

Als Journalist und Freund der Achsenmächte getarnt, treibt Soames sein doppeltes Spiel mit den Mächtigen wie den Frauen: In Berlin hatte er eine Affäre mit der Frau des deutschen Konsuls. Nun führt ihn Leni (Franka Potente) bei den wichtigsten Strippenzieher der Stadt ein: dem japanischen Geheimdienst-Offizier Tanaka und dem Unterwelt-Boss Anthony Tan-Ling (Chow Yun-Fat). Tanaka teilte unwissentlich seine Geliebte Sumiko mit Connor. Soames bandelt sofort mit Anthonys Frau Anna (Gong Li) an.

 

Kurz vor dem Angriff auf Pearl Harbour

 

Die konspiriert insgeheim mit chinesischen Partisanen. Das wird deutlich, als sie Anthony bei einem Bombenanschlag auf Japaner schützt: Offenbar kannte Anna die Attentats-Pläne. Soames dient sich ihr als rechte Hand an und will sie zugleich austricksen – wie die Gangster-Braut ihn. Denn Anna muss die kranke Sumiko, die für Connor die Kriegspläne der Japaner ausspionierte, aus der Stadt schmuggeln – und Tanaka ihrer um jeden Preis habhaft werden.

 

Seitenwechsel, Verfolgungsjagden und Feuergefechte folgen Schlag auf Schlag. Bis durchsickert, dass Tokios Luftwaffe die US-Flotte in Pearl Harbour bombardiert. Der Zweite Weltkrieg im Pazifik hat begonnen – das alte Shanghai geht in einer Massenpanik unter.

 

Offizieller Video-Trailer

 


 

Kein Wunder, dass der Plot an «Casablanca» erinnert: Der Klassiker mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergman stand Pate für dieses romantische Spionage-Epos. Doch «Shanghai» ist viel mehr als ein Remake. Dort kam 1941 Produzent Mike Medavoy zur Welt; er arbeitete zehn Jahre lang an seinem Herzensprojekt. Das sieht man jeder Einstellung an: Selten werden Historienfilme mit solcher Liebe zum Detail gedreht. Kaum zu glauben, dass dies mitten in London geschah.

 

Vom Grand-Hotel zur Opium-Spelunke

 

Ob im Grand Hotel oder Hinterzimmer, bei dekadenten Festen im Casino oder in schummrigen Opium-Spelunken: Morbide «Tanz auf dem Vulkan»-Atmosphäre durchtränkt jede Szene. Genau die richtige Kulisse für zügellose Leidenschaften, knisternde Erotik und Verrat durch Verführung. Wobei das verwirrende Intrigenspiel der Akteure jederzeit verständlich bleibt: Ihr Beziehungsgeflecht macht die komplizierte politische Konstellation Ende 1941 auch Laien klar.

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

Doch der historische Hintergrund liefert nur den Rahmen für ein virtuoses Spiel mit Versatzstücken legendärer Agenten-Thriller. Als piekfeine Hauptfiguren noch jeden Schlagabtausch elegant parierten, um lässig die nächste Kippe anzuzünden. Als ihre Gespielinnen noch feurig küssten, um sie damit den feindlichen Folterknechten auszuliefern. Als jeder Held zwischen der Liebsten und seinem Land wählen musste – und sich natürlich für letzteres entschied.

 

Kino im XXL-Format

 

Kurzum: Als Kino noch große Gefühle in Ausstattungs-Orgien und Technicolor auf die Leinwand brachte. Die goldene Ära des Hollywood-Studiosystems erlebt in «Shanghai» ihre Auferstehung: mit einer Top-Besetzung, in der die fernöstlichen Superstars Gong Li und Chow Yun-Fat ihre westlichen Pendants Franka Potente und John Cusack locker an die Bambus-Wand spielen. Mit einem Regisseur, der nur Erfüllungsgehilfe des Produzenten ist.

 

Mit einer opulenten Inszenierung, die keinen Aufwand scheut, um eine untergegangene Epoche wieder aufleben zu lassen. Und dabei den Nerv der Zeit trifft: Die Kriegsschauplätze in Europa sind längst zu Tode abgefilmt. Dass der Weltkrieg in Ostasien ebenso mörderisch und verlustreich verlief, wird im Westen weitgehend ignoriert. Aber weder in China noch in Japan. Alles in allem: Ganz großes Kino im XXL-Format – bigger and better than life.