Mathieu Amalric

Tournée

Kitten on the Keys (li.) und Dirty Martini vor dem nächsten Auftritt; Foto: Farbfilm Verleih
(Kinostart: 8.9.) Labsal für Unterleib und Seele: Ein abgehalfterter Impresario zieht mit seiner Burlesque-Truppe durch die Provinz. Bei diesem erotischen Augenschmaus macht sogar der Kater danach Spaß.

Das geht ab: Das Honky-Tonk-Piano hämmert, Rampenlicht wirbelt regenbogenfarben und Fabelwesen legen einen fulminanten Auftritt nach dem anderen hin. Mit gewagten Rüschenkleidern, Federboas und Fächern, so groß wie Wagenräder.

 

Info

Tournée

 

Regie: Mathieu Amalric, 111 min., Frankreich 2010;
mit: Miranda Colclasure, Suzanne Ramsey, Linda Marracini

 

Weitere Informationen

Mit scharfen Kurven, ellenlangen Klimper-Wimpern und schreiend grellem Make-Up. Irgendwo zwischen verruchtem Varieté, Drag-Queen-Solo und Striptease als komplizierter Kunstform. Bis die letzten Hüllen fallen, doch Spitzenborte und Glitzersternchen tiefe Einblicke verwehren. Das ist Burlesque.

 

Ihre große Zeit hatten diese sehr speziellen Tanz-Shows in den 1920/30er Jahren, bevor sie in nackten Tatsachen untergingen. Seit rund 15 Jahren erleben sie ein Revival als New Burlesque. Als kreative Alternative zu Tabledance und steriler Hochglanz-Erotik: Hier sind Frauen keine passiven Lustobjekte, sondern selbstbewusste Bühnen-Stars. Die beim Strippen nicht nur ihre drallen Rundungen ausziehen, sondern auch Teasen: das Publikum necken und mit ihm spielen. Bei Burlesque applaudieren selbst Feministinnen.

 

Offizieller Video-Trailer

 


 

Seinen burlesken Spielfilm bevölkert Mathieu Amalric mit einer tollen Truppe. Die Prachtweiber mit so klangvollen Künstlernamen wie Kitten on the Keys oder Mimi Le Meaux begeistern durch sinnliche Präsenz und umwerfenden Witz: Tingeltangel-Diven, die nichts erschüttern kann, solange ihr Sektglas stets gefüllt bleibt.

 

Ihre Tournee durch die französische Provinz begleitet Amalric in einer Doppelrolle: als Regisseur, der mit liebevollem Voyeurismus in ihren Reizen schwelgt, und als Manager-Hauptdarsteller, der alles mehr schlecht als recht organisiert. Dem abgehalfterten Impresario will der große Durchbruch nicht mehr glücken.

 

Scheitern als glamouröse Party

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

Dazu hat er zu hohe Schulden angehäuft und sich in der Branche zu viele Feinde gemacht. Auch seine Ex-Freundin und Söhne sind wenig begeistert, als er überraschend wieder auftaucht. Doch der zerknautschte Showbiz-Veteran steckt alle Rückschläge kettenrauchend und stoisch scherzend weg.

 

Wie seine Mädchen, die mit albernen Accessoires und überschäumender Champagnerlaune noch die schäbigste Absteige für eine lange Nacht in einen Amüsier-Palast verwandeln. Schleichendes Scheitern als glamouröse Party, die auch den Kater danach auskosten kann – diese Lebens-Kunst entfaltet die Tragikomödie als schillernden Augenschmaus. Wenn das kein Labsal für Unterleib und Seele ist.