Berlin

Bilder einer Ausstellung: China und die Aufklärung

Eingangshalle des Nationalmuseums im Juni 2011; Foto: Leeluv/ Wikipedia
Berlin will mit der Mammut-Schau «Kunst der Aufklärung» mitten in Peking westliche Werte propagieren. Eine ARTE-Doku zeichnet das PR-Desaster nach; eine Debatte im Martin-Gropius-Bau klärte, wie es dazu kommen konnte.

Rebell gegen Hofmaler: Auch die chinesische Kunstgeschichte kenne beide Rollenmodelle, erläuterte im Anschluss Klaas Ruitenbeek, Direktor des Berliner Museums für Asiatische Kunst. Doch niemand erwarte im Nationalmuseum etwas Aufregendes, gibt im Film die junge Kuratorin Tang Xin zu bedenken: Wo in monumentalen Saalfluchten die regierungsamtliche Sicht der Dinge ausgebreitet werde, seien subversive Denkanstöße ausgeschlossen.


Statements von Museums-Direktor Klaas Ruitenbeek zur chinesischen Sicht


 

Der Standort werde zum Konstruktionsfehler der Mammut-Ausstellung, ergänzte Galerist Alexander Ochs. Er vertritt seit 1997 zeitgenössische chinesische Künstler wie Ai Weiwei in Europa und eröffnete 2004 eine Filiale in Peking. Die Hoffnung, am symbolischen Machtzentrum der Volksrepublik mit einer Bilder-Schau den westlichen Werte-Kanon zu propagieren, verkenne die Lage in China völlig, so Ochs: In den staatlich kontrollierten Medien werde «Die Kunst der Aufklärung» praktisch totgeschwiegen.

 

Zumal die KP keinen Nachholbedarf in Sachen europäischer Aufklärung sieht. In marxistisch-leninistischer Lesart der Geistesgeschichte sind Kant und Hegel philosophische Wegbereiter für Marx und Engels. Ebenso in der maoistischen Variante: Der Kommunismus vollendet das Projekt Aufklärung und verwirklicht die Menschenrechte in der klassenlosen Gesellschaft. Aus dieser Perspektive hat vielmehr der Westen die Ideale von 1789 verraten.


Statement von Galerist Alexander Ochs zu Kunst und Politik in China


 

Kultur muss harmlos bleiben

 

Ob das auch für den «Sozialismus chinesischer Prägung» in seiner aktuellen Gestalt als Manchester-kapitalistischer Hauptgläubiger der Weltwirtschaft gilt, darf die dortige Kunst-Szene nicht thematisieren. Zumindest nicht, sobald sie mit hoher Politik in Berührung kommt, stellte der Galerist klar: Viele Werke und Ansichten, die in informellen Intellektuellen-Zirkeln kursierten, seien der breiten Öffentlichkeit strikt untersagt. Die Zensur toleriert Freiräume nur, solange sie überschaubar sind. Kultur für die Massen muss harmlos bleiben.

 

Hintergrund

Lesen Sie hier einen Bericht über die Debatte "Ai Weiwei: art, dissidence and resistance" am 27.07.2011 im Haus der Kunst, München.

Das hätte man im Auswärtigen Amt wissen können: Vor 1989 ging es in Ostdeutschland nicht anders zu. Doch das AA recycelte lieber die Formel vom «Wandel durch Annäherung» der Regierungszentralen – und ignorierte, dass es in der Volksrepublik weder kleinen Grenzverkehr noch Westfernsehen gibt. Fazit des Galeristen: «Wir sind noch nicht reif für solch eine Ausstellung».

 

Stattdessen reagierte Berlin gleichsam chinesisch auf den vermeintlichen Affront, als habe Westerwelle das Gesicht verloren. Dabei war die fast zeitgleiche Festnahme von Ai Weiwei laut Ochs „nach allem, was wir wissen, ein dummer Zufall“. Oder eine rein innenpolitisch motivierte Aktion von KP-Hardlinern, denen piepegal ist, was deutsche Schöngeister darüber denken.