Berlin

Hokusai – Retrospektive

Album mit zehn Malereien, 1834/9, Malperiode: Gakyô rôjin Manji.
Einer der bedeutendsten Künstler aller Zeiten: Hokusai hat das Leben im alten Japan in formvollendeten Bildern verewigt. Seinem Riesenwerk widmet der Martin-Gropius-Bau die erste Retrospektive in Deutschland.

Dutzende von Teehäusern, Theatern und Sumo-Arenen boten den Einwohnern Zeitvertreib. Von ihnen konnte mehr als die Hälfte lesen und in 600 Büchereien mehrere Hundert Romane ausleihen, die in Tausenden von Exemplaren erschienen: Japans Literaturbetrieb zählte zu den produktivsten weltweit.

 

36 Ansichten des Fuji

 

Hokusai hielt diese Bildungs- und Amüsierkultur in unzähligen Facetten fest: berühmte Schauspieler, schöne Frauen, das bunte Treiben in den Straßen und malerische Ansichten. In seiner zweiten Lebenshälfte wandte er sich anspruchsvolleren Sujets zu: genau beobachteten Pflanzen- und Tierstudien, deren präziser Naturalismus sehr modern anmutet. Sowie Landschaften, die er in kühnen Kompositionen wiedergab.

 

Etwa der populären Holzschnitt-Serie «36 Ansichten des Berges Fuji»: Der heilige Berg Japans erscheint stets in überraschenden Perspektiven. Sei es ein ungewöhnliches Farbenspiel an seinen Flanken oder als kleiner Akzent im Hintergrund, dessen markante Silhouette Dächer oder Klippen aufnehmen und variieren.

 

Kunstfurzer bläst Kerze aus

 

Zu dieser Serie gehört auch Hokusais berühmteste Arbeit «Die große Welle vor der Küste bei Kanagawa»: Ein Wellenkamm im Vordergrund ist exakt dem Fuji-Gipfel nachgebildet, der im Wellental auftaucht und das Bild strukturiert. Erst auf den zweiten Blick erkennt man winzige Langboote, die von Wassermassen fast verschlungen werden.

 

Solche Meisterstücke werden im Martin-Gropius-Bau en gros gezeigt. Die Retrospektive ist die erste in Deutschland; viele der rund 400 Exponate waren noch nie außerhalb Japans zu sehen. Alle Schaffensperioden werden ausführlich mit Haupt- und Nebenwerken vorgestellt. Hokusai schreckte auch vor burleskem Humor nicht zurück: etwa beim Bild eines Kunstfurzers, dessen abgehende Winde eine entfernte Kerze ausblasen.

 

Platz 17 der «Life»-Bestenliste

 

Hintergrund

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Positionen: Japanische Holzschnitte im 20. Jahrhundert" im Völkerkundemuseum, München.

Die drastische Begebenheit stellt er mit wenigen, delikaten Strichen dar. Ebenso Wetterphänomene wie Nebel, Regen oder Wasserfälle, die er mit parallelen Streifen andeutete. Diese flächige, abstrahierende Ästhetik mit ihrem asymmetrischen Bildaufbau und angeschnittenen Motiven hatte ab 1860 enormen Einfluss in Europa: Ohne die Japonismus-Mode des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist die Kunst der Moderne undenkbar.

 

Für sie war Hokusai ein überragendes Vorbild. Insofern verwundert es kaum, dass er im Jahr 2000 auf einer Liste des Magazins «Life» der wichtigsten Künstler aller Zeiten auf Platz 17 kam, noch vor Picasso: Das Riesenwerk des vom Malen besessenen Japaners ist von universeller Bedeutung.