Kein anderer bedeutender Regisseur ist dem Filmfestival von Cannes so verbunden wie Lars von Trier. Bereits 1984 gewann er dort in einer Nebenreihe seine erste Auszeichnung, als sein späterer Einfluss auf das Welt-Kino allenfalls zu erahnen war.
Info
Melancholia
Regie: Lars von Trier, 136 min., Dänemark/Schweden 2011;
mit: Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg, Charlotte Rampling
Eben dort hat von Trier in diesem Jahr für den größten Skandal seiner Karriere gesorgt. Auf der Pressekonferenz zu „Melancholia“ erklärte er: „Okay, I’m a Nazi“ und bekundete Sympathien für Hitler, während neben ihm seine Hauptdarstellerin Kirsten Dunst im Boden zu versinken hoffte.
Anschließend verbannte die Festival-Leitung von Trier als persona non grata, was ihn bei seiner neunten (!) Einladung um die Chance auf eine weitere Auszeichnung brachte – während Dunst als beste Schauspielerin prämiert wurde. Zu Recht: „Melancholia“ ist brillant.
Offizieller Filmtrailer
Problemkind der Familie
Strahlend schön und ausgelassen erreichen Justine (Kirsten Dunst) und ihr Mann (Alexander Skarsgard) zu spät die eigene Hochzeitsfeier auf dem prächtigen Gut ihres Schwagers John (Kiefer Sutherland). Er wartet mit seiner Frau Claire (Charlotte Gainsbourg) und allen anderen Gäste ungeduldig auf das Brautpaar. Keiner der Anwesenden wirkt überrascht ob der Verspätung von Justine, dem Problemkind ihrer Familie.
Wie es das Schicksal will, ist dieser potentiell schönste Tag des Lebens nur die Exposition für das Ende alles Irdischen. Justine gelingt es an diesem Abend, ihr gesamtes Glück aufs Spiel zu setzen und zu verlieren. Anstatt sich von der Festgesellschaft feiern zu lassen, zieht sich Justine zurück; anstatt sich zu freuen, dass ihr Boss sie befördert, beleidigt und verprellt sie ihn.
Auch die peinlichen Auftritte ihrer frustrierten Eltern Gaby (Charlotte Rampling) und Dexter (John Hurt) bringen sie weit weniger aus der Fassung als John und Claire. Die tun alles, um die schöne Fassade aufrecht zu erhalten und der Braut unvergessliche Momente zu schenken.
Wie ein Tier, das Gefahr wittert
Sie dankt es ihnen nicht und verprellt auch noch ihren Bräutigam: Justine betrügt ihn flüchtig und lässt ihn spüren, dass die Zukunft, die er sich ausgemalt hat, niemals stattfinden wird. Instinktiv wie ein Tier, das Gefahr wittert, treibt sie wie einer Verheißung folgend dem erlösenden Weltende entgegen: der kosmischen Kollision mit dem sich nähernden Planeten.
Im Gegensatz zu ihrer vernünftigen Schwester Claire, die mit allem zurande kommen will. Als verantwortungsvolle Mutter und Gattin stemmt sie sich vehement gegen die Katastrophe, bevor sie erkennen muss, dass ihre absonderliche jüngere Schwester Justine mit der unfassbaren Situation besser umzugehen weiß: Ihre eingespielten Rollen kehren sich angesichts der drohenden Auslöschung allen Lebens um.
Schöner Film über das Ende der Welt
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Stattdessen zeigen sie eine Spezies, die fatalistisch das Unausweichliche geschehen lässt, während die Erde zur Ouvertüre von Wagners Oper „Tristan und Isolde“ vom Planeten „Melancholia“ einfach verschluckt wird. Großartiges Arthouse-Kino mit fantastischen Schauspielern, angeleitet von einem visionären Regisseur.