So sieht also die Freiheitsstatue in Fragmenten aus: Danh Vo hat die kupferne Außenhaut der «Statue of Liberty», die seit 1886 im Hafen von New York steht, in Einzelteilen maßstabsgetreu nachgeformt. Beziehungsweise nachformen lassen: Diese schwerindustrielle Tätigkeit verrichten billige Helfer in China. Sie biegen und vernieten Kupferplatten; anfangs gesetzte Schweißnähte erwiesen sich als brüchig.
Info
Danh Vo -
JULY, IV, MDCCLXXVI
01.10.2011 - 31.12.2011
mittwochs bis sonntags 11 - 18 Uhr in der Kunsthalle Fridericianum, Friedrichsplatz 18, Kassel
Manifest bringt Unabomber in Haft
Auch für Danhs Familie: Angehörige beschrieben Info-Blätter, die im Fridericianum verteilt werden, handschriftlich mit Auszügen aus dem «Unabomber-Manifest». 1995 schickte der Einzeltäter Theodore Kaczynski seinen fast 200 Seiten langen Text mit der Forderung nach Abdruck an US-Zeitungen. Ihr Presse-Echo fiel anders aus als erhofft. Die Polizei spürte Kaczynski auf und verhaftete ihn: Damit endete nach 18 Jahren seine Attentats-Serie.
Statements von Danh Vo + Fridericianums-Leiter Rein Wolfs und Impressionen der Ausstellung
Kopieren mit der Hand ist kein Problem für Danhs Verwandte: Vietnamesisch wird seit der französischen Kolonialzeit in lateinischen Lettern geschrieben. Ob sie Kaczynskis Schmähschrift auf Englisch gegen das «technoindustrial system» auch verstehen, darf bezweifelt werden. Das gilt ebenso für Ausstellungs-Besucher: Über dem Eingang des Fridericianums hängt ein Foto-Plakat aus dem Weltall. Die Aufnahme gehörte dem Astronauten Ed White, der 1967 beim Test-Start von Apollo 1 starb.
31 Tonnen Kupferblech
Im Erdgeschoss sind nur eine mechanische Schreibmaschine und eine Seite aus der «New York Times» zu sehen. Sie berichtete am 7. Januar 1945 über die Hochzeit von George Bush mit Barbara Pierce – dem späteren Präsidenten-Ehepaar. Die Original-Schreibmaschine, auf der das Unabomber-Manifest getippt wurde, ersteigerte Danh Vo bei einer Auktion des FBI.
Hintergrund
Lesen Sie hier einen Bericht samt Video-Interview über die Wiedereröffnung der Neuen Galerie in Kassel
und hier einen Beitrag mit Video-Interview über die Ausstellung "Produced by Migros" in der Kunsthalle Fridericianum
und hier eine Besprechung samt Video-Interview der Ausstellung "Frontera" von Teresa Margolles am selben Ort
und hier eine kultiversum-Rezension der Ausstellung "Pink Wave Hunter" von Andro Wekua im Fridericianum.
230.000 Dollar Material-Wert
Man wird auf Details aufmerksam, die an der realen «Lady Liberty» meist unbemerkt bleiben: etwa zerbrochene Glieder einer Kette zu Füßen der Statue, die sonst kaum erkennbar sind. Oder das üppig klassizistische Dekor der Freiheits-Fackel mit Blumen-Ranken an Schaft und Kranz. Das Meiste wirkt aber befremdlich monströs: Riesen-Finger und -Zehen, Gewand-Falten wie Berg-Flanken.
Was diese Fragmente mit Weltraum-Bild, Terror-Typewriter und Staatschef-Ehe verbindet, bleibt diffus. Zwar hat Vietnam seit dem Krieg gegen die Vereinigten Staaten ein kritisch-spezielles Verhältnis zu ihrem Freiheitsversprechen, doch dazu äußert sich Danh Vo allenfalls mit dem Titel der Schau – dem Datum der US-Unabhängigkeits-Erklärung. So besitzt die Ausstellung außer dem Schauwert von Buntmetall-Massen vor allem hohen Material-Wert: Auf dem Weltmarkt kosten 31 Tonnen Kupfer zurzeit rund 230.000 US-Dollar.