Als 23-jähriger Debütant drehte Regisseur David Cronenberg 1966 seinen ersten Kurzfilm «Transfer», einen siebenminütigen «surrealen Sketch für zwei Personen – einen Psychiater und seinen Patienten». 45 Jahre später schließt er mit «Eine dunkle Begierde» daran an und erzählt eine kurze Geschichte der Psychoanalyse.
Info
Eine dunkle Begierde
Regie: David Cronenberg, 99 min., Großbritannien/ Kanada 2011
mit: Michael Fassbender, Keira Knightley, Viggo Mortensen
Missbrauch durch den Vater
Hysterisch kreischend und völlig außer sich wird Spielrein in die psychiatrische Klinik Burghölzli eingewiesen, die Jung mit seiner Frau Emma betreibt. Jung behandelt die junge Patientin mit der neuen Methode der Psychoanalyse. Er führt lange Gespräche mit ihr und stößt bald auf die Ursache ihrer seelischen Erkrankung: Ihr Vater hat sie als Kind missbraucht. Dadurch entwickelte sie eine abgründige Leidenschaft für Schmerz als Teil ihrer Sexualität – Spielrein ist Masochistin.
Offizieller Film-Trailer
Jung schildert den Fall seinem Vorbild, dem Wiener Professor Sigmund Freud. Beide schreiben einander eifrig Briefe, ehe sie sich endlich begegnen. Freud wird Jungs Mentor, doch professionelle Meinungsunterschiede führen zu tiefer Rivalität: Während Freud in der Psychoanalyse ein Diagnose-Instrument sieht, glaubt Jung an ihre heilende Kraft.
Sprechen als Heilmittel
Als Jung sich auf eine Affäre mit Spielrein einlässt, die mittlerweile seine Schülerin geworden ist, bricht Freud mit ihm. Spielrein verehrt Jung obsessiv, doch nach ihrer Trennung wendet sie sich Freud zu. Das verkraftet Jung schlecht; er stürzt sich in die Ausformulierung seiner Theorie der «analytischen Psychologie». Die beiden Wissenschaftler sprechen nie wieder miteinander.
Der Regisseur adaptiert hier das Theaterstück «The Talking Cure» von Christopher Hampton, der auch am Drehbuch mitschrieb. «Sprechen als Heilmittel» beschreibt den Charakter des Films recht präzise: Trotz detailgetreuer historischer Ausstattung und aufwändiger Inszenierung stehen die Wortwechsel zwischen Freud und Jung im Zentrum des Geschehens.
Psychoduell wie Kaugummi
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung der Doku "Nachtmeerfahrten" über den Psychologie-Pionier C.G. Jung von Rüdiger Sünner.
Dennoch: Über weite Strecken zieht sich das Psychoduell mit Dame wie Kaugummi. Der kanadische Filmemacher, der diesmal ungewohnt chronologisch und stringent erzählt, wirkt bei diesem Sujet gehemmt. Seine sonst so suggestive bodyhorror-Bildsprache bleibt konventionell, weshalb nie wirkliche Spannung aufkommt. «Eine dunkle Begierde» ist weder Erotik- noch Psychodrama, sondern gediegenes Bildungsfernsehen – trotz zweier starker Hauptdarsteller.