Die Letzten werden die Ersten sein: Als der Gesandte Friedrich von Eulenburg am 24. Januar 1861 in Edo, dem heutigen Tokio, ein preußisch-japanisches Handelsabkommen unterzeichnete, waren die Deutschen spät dran. Nach der Öffnung des Inselreichs 1853 hatten die meisten westlichen Mächte bereits für sie günstige Handelsverträge ausgehandelt.
Info
Ferne Gefährten. 150 Jahre deutsch-japanische Beziehungen
08.11.2011 - 05.02.2012
täglich außer montags 11 bis 18 Uhr in den Reiss-Engelhorn-Museen, Museum Weltkulturen D5, Mannheim.
Katalog 19,95 €, im Buchhandel 29,95 €
Japanische Filmtage
08.12.2011 - 18.12.2011 im Cinema Quadrat, Kommunales Kino Mannheim im Collini-Center, Collini-Str. 5, Mannheim
Gemeinsam zum Platz an der Sonne
Die Proteste legten sich schlagartig nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 – dem Auftakt zur engen Partnerschaft beider Länder. Sie hatten viel gemeinsam: Beide Kaiserreiche waren rohstoffarm und ohne Kolonien. Beide setzten auf Bildung, Industrialisierung und militärische Stärke, um einen «Platz an der Sonne» zu erobern.
Dabei sah Japan im Deutschen Reich ein Vorbild für rasche Modernisierung, erklärt Alfried Wieczorek, Direktor der Reiss-Engelhorn-Museen: Beispielsweise seien die Grundlagen des japanischen Eisenbahn-Systems Ende des 19. Jahrhunderts aus Deutschland übernommen worden. Dennoch funktioniere Japans Schienen-Verkehr immer noch ausgezeichnet – im Gegensatz zum deutschen.
Rundgang mit Christian Numrich, Japanologe und Mitarbeiter der Curt-Engelhorn-Stiftung
Diese «Goldenen Jahre» intensiven Austausches bis 1890 stellt die Schau ausführlich vor: An deutschen Universitäten studierten viele «Japanesen», wie erste Berichte sie nannten, Medizin oder Naturwissenschaften. Deutsche Juristen halfen Tokio bei der Ausformulierung der Verfassung und des bürgerlichen Gesetzbuches. Selbst die japanische Nationalhymne wurde vom deutschen Militär-Kapellmeister Franz Eckert arrangiert. Der Know-how-Transfer war also eher eine Einbahnstraße.
Ärger mit Tokio wegen «Gelber Gefahr»
Auf der anderen Seite grassierte in Deutschland, wie in ganz Europa, der Japonismus: Kunst und Kultur aus Nippon – oder was man dafür hielt – waren sehr populär. Japanische Farbholzschnitte mit ihrem asymmetrischen Aufbau, flächiger Ästhetik und kühnen Perspektiven trugen zur Entstehung der Klassischen Moderne bei: Im- wie Expressionisten ließen sich davon anregen.
Zwar vergraulte Kaiser Wilhelm II. nach 1900 die Regierung in Tokio mit Warnungen vor der «Gelben Gefahr», so dass Japan im Ersten Weltkrieg als Alliierter Großbritanniens gegen das Reich kämpfte. Doch in der Zwischenkriegszeit kehrte man bald zur Zusammenarbeit zurück – bis zur Waffenbrüderschaft der Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg.
Keine Judenverfolgung in Fernost
Das dunkelste Kapitel der beiderseitigen Beziehungen wird in der Ausstellung sachlich, aber recht knapp abgehandelt: vom Austritt beider Staaten aus dem Völkerbund über ihren Anti-Komintern-Pakt von 1936 gegen die Sowjetunion bis zum Dreimächtepakt, dem 1940 das faschistische Italien beitrat. Ein Vergleich des NS-Regimes mit der De-facto-Militärdiktatur in Japan fehlt.
Warum, erläutert Peter Pantzer, emeritierter Professor für Japanologie an der Universität Bonn: Zwar habe Japan eine «aggressiv-imperialistische Politik gegenüber den Nachbarländern» betrieben, aber kein «menschenverachtendes Regime gegenüber der Bevölkerung» ausgeübt. Dem Kurator zufolge hat Tokio kategorisch die Forderung Hitlers abgelehnt, Juden zu liquidieren, die aus Mitteleuropa nach China in japanisch besetzte Gebiete geflohen waren: «Es gab keinerlei Judenverfolgung in Fernost; im Gegenteil.»