Frankfurt am Main

Alte Meister 1300 – 1800 im Städel Museum

Hauptwerk der holländischen Historienmalerei - Rembrandt Harmensz van Rijn (1606–1669): Die Blendung Simsons, 1636; Foto: Städel Museum
Mainhattan hat seine Alten Meister wieder: Das Städel eröffnet den umgebauten Museums-Flügel für Spitzenwerke aus fünf Jahrhunderten. In satten Farben mit spektakulären Neuzugängen – ein Fest fürs Auge.

Barockes Schnäppchen von Beaucamp

 

Flankiert von einmaligen Arbeiten: etwa den Heiligen Cyriakus und Laurentius von Mathis Gothart Nithart, besser bekannt als Matthias Grünewald. Er schuf die beiden Grisaille-Tafeln 1509/10 ebenfalls für die Frankfurter Dominikaner-Kirche. Oder dem bizarren «Hiob auf dem Misthaufen» von Albrecht Dürer: Während im Hintergrund die halbe Welt brennt, überschüttet Hiobs Frau ihn mit Wasser. Das «Porträt des Simon George of Cornwall» von Hans Holbein d.J. zeigt, wie ein englischer Adliger im 16. Jahrhundert um seine Braut warb: mit Nelke in der Hand und erotischem Motiv auf der Schmuck-Spange am Barett.

 

Im italienischen Flügel wird erstmalig eine barocke «Madonna mit Kind» von Guercino ausgestellt. Der langjährige FAZ-Kunstkritiker Eduard Beaucamp schenkte sie kürzlich dem Städel, nachdem er das Bild vor 20 Jahren preiswert erworben hatte – im Kunsthandel wurde es als Kopie aus dem 19. Jahrhundert eingestuft. Beaucamp wusste es besser und sicherte sich das Schnäppchen. Wie ein Lehrstück aus dem Bilderbuch: Mit geschultem Auge kann man selbst heute Alte Meister günstig erstehen, ohne Kunstfälschern auf den Leim zu gehen.

 

Städel kauft Papst-Urbild von Raffael

Hintergrund

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Ein noch kapitalerer Fang glückte dem Städel im vergangenen Jahr: Aus einer Privatsammlung wurde ein Schlüsselwerk der Kunstgeschichte weit unter Marktpreis angekauft – der in diesem Fall wohl unbezahlbar wäre. Denn es handelt sich um das kanonische «Bildnis des Papstes Julius II.»; er hat als Auftraggeber von Bramante, Michelangelo und Raffael die Hochrenaissance erst ermöglicht.

 

Gemalt von keinem Geringeren als Raffael und seiner Werkstatt – zwei weitere Versionen befinden sich heute in der Londoner National Gallery und den Uffizien in Florenz. Nach eingehender Untersuchung mit Infrarot-Reflektographie versichert jedoch das Städel, die ursprüngliche Fassung zu besitzen, von denen die beiden anderen Bilder abgeleitet wurden. Falls die Forschung das bestätigt, ist dem Museum eine Sensation gelungen.

 

Touchscreen für Generation Facebook

 

Der Papst hängt als Prunkstück nun mittig in einer der beiden Blickachsen, so dass man ihn schon von der Rotunde aus erspäht. Ihm gegenüber am anderen Ende «Die Blendung  Simsons», ein Hauptwerk Rembrandts. Doch das vermutlich allerwertvollste Gemälde der Sammlung hat das Städel seltsamerweise in ein Seiten-Kabinett verbannt: seinen Vermeer. «Der Geograf» von 1669 gibt den Forscher- und Entdeckergeist des 17. Jahrhunderts auf unnachahmliche Weise in einem intimen Moment wider.

 

Nur 36 Gemälde sind vom Weltmeister der Interieur-Malerei aus Delft erhalten. Umgeben von holländischen Landschaften, dürfte die kleinformatige Leinwand an dieser Stelle leicht übersehen werden. Wenigstens ziert sie den Katalog – als Signal, danach zu suchen. Für die digital sozialisierte Generation Facebook hat das Museum in einem ansonsten leeren Kabinett mit Ausblick auf den Main einen «Multi-Touchscreen» aufgestellt.

 


Chantal Eschenfelder, Abteilungsleiterin Bildung + Vermittlung im Städel, führt den Multi-Touchscreen vor


 

Besser Bilder betrachten als Boni berechnen

 

An sechs Bildschirmen kann man Alltags-Fragen mit Fingertippen beantworten – und motivisch dazu passende Gemälde-Reproduktionen aufrufen. Das werden alle Smartphone-Süchtigen intuitiv bedienen können – streicheln und wischen wie gewohnt. Davon verspricht sich das Museum, seinen Bilder-Schatz jüngeren Besuchern mit persönlich-emotionalem Zugang nahe zu bringen. Über die Kosten des weltweit einmaligen Prototyps schweigt es sich vornehm aus.

 

In Mainhattan, dem Epizentrum der Begeisterung für High-Tech und Nonstop-Kommunikation, gewiss eine lohnende Investition. Damit von 18-Stunden-Arbeitstagen ermattete Banker und Broker erleben, dass es sinnvollere Beschäftigungen als Chart-Analysen und Boni-Berechnung gibt: Krisenzeiten waren schon immer gut für die Kunst.