Berlin

Hans Baluschek – Bilderbuch des Berliner Lebens

Hans Baluschek: Montagmorgen, 1898 Öl auf Leinwand, 120 x 150 cm; Foto: Cristel Lehmann/ Stiftung Stadtmuseum Berlin
Reichshauptstadt von unten: Baluschek hielt das Leben kleiner Leute Anfang des 20. Jahrhunderts in fahlen Farben fest. Dem vom Kaiser geschmähten «Rinnsteinkünstler» widmet das Bröhan-Museum eine überfällige Werkschau.

Um 1900 begann der Aufstieg Berlins zu einer Metropole der modernen Kunst. 1899 wurde die Berliner Secession gegründet; Hans Baluschek (1870 – 1935) war dabei und stieg 1913 in den Vorstand auf. Mit seinen Secessions-Kollegen verband ihn die Abneigung gegen schwülstige Historienmalerei, die Kaiser Wilhelm II. kräftig förderte. Sowie die Orientierung am literarischen Naturalismus, etwa den Werken von Emile Zola oder Gerhart Hauptmann.

 

Info

Bilderbuch des Berliner Lebens -  Der Maler Hans Baluschek

 

01.12.2011 - 15.04.2012
täglich außer montags im Bröhan-Museum, Schlossstraße 1a, Berlin

 

Katalog 18,50 €

 

Weitere Informationen


Das zeigt eine Ausstellung von rund 40 Gemälden im Bröhan-Museum, vorwiegend aus hauseigenem Bestand. Die Schau ist thematisch gegliedert in Abteilungen wie «Fabrik», «Großstadtvergnügen» oder «Eisenbahn» – Baluscheks Vater war Bahnbeamter. In vielen Facetten stellen diese Bilder ein und dieselbe Motivwelt dar: die Reichshauptstadt von unten.

 

Hängende Köpfe, resignierte Gestalten

 

Eine schonungslose, meist pessimistische Chronik des Lebens einfacher Leute in der Metropole: Ausgemergelte Arbeiterinnen mit müden Gesichtern strömen nach Feierabend aus einer Fabrik. Oder Frauen und Mädchen tragen auf dem Bild «Mittag» Fresskörbe aus.

 

Um solche Szenen festzuhalten, studierte Baluschek die Milieus der Kleinbürger, Malocher und Außenseiter. Seine Bilder bevölkern hängende Köpfe anstelle von heroischen Gestalten; seine Figuren wirken resignierend, bestenfalls trotzen sie ihrem tristen Dasein.

 

Mischtechniken steigern Trostlosigkeit

 

Entsprechend trübe war Baluscheks Farbpalette: Er verwendete meist stumpfe Töne, viel Grau und Braun. Häufig setzte er Mischtechniken ein, bei denen er Ölmalerei mit Kreide oder Pastell kombinierte, was die Trostlosigkeit mancher Szenen hervorhebt. Etwa auf dem Bild «Ein Verbrechen ist geschehen»: Eine Menschen-Menge starrt in einen finsteren Hausflur.

 

Farbenfroh geraten nur seine Impressionen von Feierabend-Vergnügungen: etwa auf dem glitzernden Rummelplatz oder in Tingeltangel-Kneipen. Seine Darstellung eines Lampion-Umzugs in einer Laubenpieper-Kolonie besticht durch die raffinierte Lichtführung: Die Lampions leuchten, als enthielten sie echte Kerzen, was dem Halbdunkel der Schrebergärten eine zauberische Stimmung verleiht.

 

Arbeiter-Familie im Heiligen-Schimmer

 

Vom Lichtstrahl am historischen Horizont erwartete auch Baluschek, SPD-Mitglied seit 1920, das Heil: Wie viele Künstler seiner Zeit begeisterte er sich für Technik, von der er sich eine bessere «Zukunft» versprach, wie die letzte Abteilung betitelt ist. Seine politischen Ansichten waren eher naiv: Auf einem Bild umarmt sich eine Arbeiter-Familie vor einer Fabrik, aus der Lichtstrahlen wie auf einem Heiligen-Bild auf sie fallen.

 

Die Wirklichkeit strafte seine Hoffnungen Lügen: Nach 1933 enthob ihn das NS-Regime aller Ämter; sein Werk galt als «entartet». Zwei Jahre später starb Baluschek. Diese Ausstellung würdigt einen lange vernachlässigten Maler, den Wilhelm II. einst als «Rinnsteinkünstler» diffamiert hatte. Obgleich die Erläuterungen im Bröhan-Museum zu Leben und Werk arg knapp ausfallen.