Berlin

Museum Europäischer Kulturen

Haarschmuck, Lombardei, Italien, Ende 19. Jh. © Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen, Foto: Ute Franz-Scarciglia
Wiedereröffnung: Aus dem Aschenputtel der Berliner Museen ist eine strahlende Prinzessin geworden! Eine spektakuläre Sonder-Schau setzt ihr die Krone auf; nur ihr Alltags-Gewand gehört noch etwas aufpoliert, damit der Glanz nicht verblasst.

Exotisches Europa: Nirgendwo sonst in der Welt sind im Lauf der Zeit derart viele verschiedene Sprachen, Kulturen und Völker auf engstem Raum entstanden wie in diesem Wurmfortsatz der riesigen asiatischen Landmasse. Nirgends gibt es so viele kulturelle Eigenarten zu entdecken wie im guten alten Abendland – wenn man genau hinsieht.

 

Info

Museum Europäischer Kulturen

 

Dauer-Ausstellung "Kulturkontakte - Leben in Europa"

 

ab 6.12.2011
täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, am Wochende ab 11 Uhr im Bruno-Paul-Bau, Arnimallee 25, Berlin-Dahlem

 

Katalog 30 €

 

Sonder-Schau "Erkundungen in Europa - Visuelle Studien im 19. Jahrhundert"
06.12.2011 - 08.04.2012

 

Weitere Informationen

Das ist die Aufgabe des Museums Europäischer Kulturen (SMB). 1999 ging es aus der Vereinigung des Museums für Volkskunde (im früheren Ostberlin) und der Europäischen Sammlung des Museums für Völkerkunde (im damaligen Westberlin) hervor. Die Fusion stand unter keinem guten Stern: Danach sank das MEK zum Aschenputtel im Verbund der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB) herab.

 

Notdürftig in einem Zweckbau aus den 1970er Jahren untergebracht, zog es kaum Besucher an. Dazu passte seine Postanschrift «Im Winkel» – tatsächlich lag das MEK im Krähwinkel von Dahlem. Die wenigen Neugierigen, die den Weg dorthin fanden, trafen auf eine lieblose Dauerausstellung: verstaubte Trachten in Vitrinen und Treibgut des Alltags in Europa. Die Multikulti-Hauptstadt Berlin wurde allen Ernstes durch einen Döner-Spieß aus Plastik repräsentiert.

 

Sammlung mit 275.000 Objekten

 

Nun haben sich die SMB ihres vernachlässigten Zöglings erbarmt und ihm ein neues Heim spendiert: Nach zweijähriger Umbau-Pause zieht das MEK in das frisch renovierte Erdgeschoss des Bruno-Paul-Baus ein. Damit wird es architektonisch an seine Geschwister in Dahlem angeschlossen: den Ethnologischen Museen und dem Museum für Asiatische Kunst.

 

Auf insgesamt 1.100 Quadratmetern darf das MEK seine Schätze ausbreiten. Davon besitzt es überreichlich: Mit rund 275.000 Objekten verfügt es über eine der größten europäischen Sammlungen der Alltagskultur. Wovon das Museum auch künftig nur einen winzigen Bruchteil zeigen kann – die Qual der Auswahl besteht fort.


Impressionen der Sonder-Ausstellung


 

Maler reist 14 Jahre bis zum Kaukasus

 

Bei seiner ersten Sonder-Schau beweist das MEK eine glückliche Hand. «Erkundungen in Europa – Visuelle Studien im 19. Jahrhundert» ist eine kleine Sensation. Nach langer Zeit sind endlich wieder die spektakulären Bilder von Wilhelm Kiesewetter zu sehen. Der Berliner Maler hatte um die Jahrhundertmitte herum 14 Jahre lang Nord- und Osteuropa bis zum Kaukasus bereist.

 

Dabei hielt er zahlreiche Völker und ihre traditionellen Kulturen auf insgesamt 180 Gemälden fest – die Fotografie war noch nicht reisetauglich. Zudem fertigte der Proto-Ethnologe ein Dutzend großer Gebäude-Modelle an. Da die meisten dieser Ethnien verschwunden sind oder ihre überlieferten Sitten und Gebräuche längst abgelegt haben, ist Kiesewetters Nachlass eine Quelle von unschätzbarem Wert.

 

Brennende Tempel in Aserbaidschan

 

Wer weiß heute noch, wo die Dalkarier wohnten? In Mittelschweden. Oder wie die Trachten und Siedlungen der Lappen, auch Samen genannt, damals aussahen? Ähnlich verhält es sich mit den Zoroastriern, Anhängern einer uralten Religion aus Persien: Kiesewetter hat ihre Feuer-Tempel auf der aserbaidschanischen Halbinsel Apscheron noch brennend gesehen.

 

Seine handwerklich etwas ungelenken, aber stets um naturgetreue Wiedergabe bemühten Gemälde sind eine Fundgrube für jeden Europäer: Solche seltsamen Kleidungsstücke und Kopfbedeckungen wurden vor kaum 150 Jahren auf unserem Kontinent getragen! Befremdlich wirken nicht nur Zeugnisse aus seinen abgelegenen Ecken: Auf einem Bild bestimmt ein Russe das Gewicht seiner Kinder mit einer mannshohen Balkenwaage.

 

Im Vergleich dazu verblassen historische Fotografien aus derselben Epoche. Lange Belichtungszeiten erlaubten kaum, Menschen in Bewegung aufzunehmen; meist sind nur Bauten zu sehen. Beispielsweise von Rudolf Virchow abgelichtet: Der berühmte Arzt, nach dem das zweitgrößte Krankenhaus der Stadt benannt ist, war auch Gründer der Berliner Anthropologischen Gesellschaft.