Alex de la Iglesia

Spanien als trauriger Zirkus

Alex de la Iglesia. Foto: 20 minutos/ Wikipedia
«Mad Circus» wurde auf der Biennale 2010 mit zwei Silbernen Löwen ausgezeichnet, doch seinen Kritikern ist der Film zu brutal. Damit verarbeite er Erinnerungen an die Franco-Diktatur, erklärt der Regisseur im Interview.

Einen dritten Clown wählen

 

Spanien erlebt politisch brisante Tage: Viele junge Menschen sind arbeitslos und gehen auf die Straße, während sich die Politiker gleichzeitig sehr schwach präsentieren.

 

Wir erleben einen der Momente, in denen wir erfahren, wie es den Menschen im Land geht. Das tut Spanien sehr gut. Denn die Leute denken ähnlich. Die Empörung kam aus Spanien heraus. Aber sie ist überall in der Welt. Wichtig ist, dass es nicht um Ideologien geht, sondern darum, den Wahlvorgang zu verändern. Momentan stehen den Wählern nur zwei Alternativen zur Verfügung. Das ist problematisch. Das Parlament steht nicht für das Volk. Wir müssen das verändern, um in einer wahren Demokratie zu leben.

 

Zurück zum Film: Das wäre ein Lösung für Natalia, die sich im Film weder dem einen noch dem anderen Clown hingeben will.

 

Genau, das wäre ihre Lösung. Sie könnte einfach einen dritten Clown auswählen. Es gibt mehr als nur zwei Möglichkeiten. Sie könnte den einen verlassen und wieder zu ihm zurückkehren. Oder auch nicht.

 

Blockbuster drehen ohne Geld

 

Wie wichtig ist Ihnen, mit Ihrem Film eine politische Botschaft zu verbreiten?

 

Der Hauptgrund ist für mich, meine Erinnerungen zu verarbeiten. Ich erinnere mich an die Angst vor Franco oder seinem designierten Nachfolger Blanco. Irgendwann entstand die Idee zweier miteinander kämpfender Clowns, für die es keine Lösung gibt. Deren Begierde am Ende stirbt. So entsteht zwar die Metapher über mein Land, aber die klare Linie, die durch den Film führt, sind meine Erinnerungen.

 

Beim Essen unterhielt ich mich gestern mit einigen Deutschen, die den Film gesehen haben; sie meinten, dass es solche Filme hier sonst nicht zu sehen gibt. Ich hätte die Eier, ihn so zu drehen. In Spanien machen wir momentan eben solche Filme und halten uns nicht für sonderlich tapfer.

 

Filmemachen ist in Spanien nicht einfach. Man soll mit wenig Geld Blockbuster drehen, was nicht möglich ist, also musst du scheitern. Für mich sieht so die Lösung für mutiges, europäisches Kino aus. Das Jammern über zu wenig Geld bringt nichts. Du hast die Idee und die Leidenschaft, also versuch es. 

 

An Superhelden und -bösewichte denken

 

Superhelden, wie wir sie aus Comics kennen, haben Sie offensichtlich inspiriert.

 

Die sind natürlich sehr kindisch, gehören aber zu meinen Kindheits-Erinnerungen. Ich denke immer an Superhelden und Superbösewichte. Sie erzählen unheimlich viel von der Realität. Es gibt Typen, wie meine Clowns, die sich gegenseitig bekämpfen und fühlen, dass sie Superkräfte haben. Und doch drehen sie am Ende durch. Auch die Guten, wie Batman. Ich persönlich fühle mich mit Batmans Gegenspieler verbunden, dem Joker. Er ist ein Clown. Clownsmasken verbergen Emotionen, eine weitere Eigenschaft, die mich ihnen nahe fühlen lässt.

 

Die Deutschen verstehen das

 

In der deutschsprachigen Presse wird stets auf die Brutalität von «Mad Circus» hingewiesen. Können Sie sich erklären, warum er so wahrgenommen wird?

 

Erklären nicht, aber ich stimme damit vollkommen überein. Ich will Rache – wie meine Figur im Film. Der einzige Weg glücklich zu sein, ist die Rache. Das Leben ist nicht fair. Sobald du eine Vergangenheit hast, entsteht eine Tradition, die mit Krieg oder Gewalt zusammenhängt. Daran trägst du keine Schuld. Niemand ist Schuld an der Gewalt, die sein Vater in der Vergangenheit ausübte.

 

Die Vergangenheit soll auf keinen Fall vergessen werden, aber es muss die Möglichkeit geben, zu sagen: Es ist nicht unsere Schuld. Lass uns darüber sprechen. Ich erwarte keine Absolution dafür, aber wehre mich auch gegen eine Schuld, die Ewigkeiten zurückliegt und Teil der Welt ist. Gerade die Deutschen verstehen das. Sie werden für Taten belastet, für die sie nichts können. Eine ganze Generation liegt dazwischen. Darauf bin ich sehr wütend.

 

Wütender als Tarantino

 

«Mad Circus» wurde bei der Biennale 2010 in Venedig mit den Silbernen Löwen für die beste Regie und für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Jury-Präsident Quentin Tarantino soll Ihren Film geliebt haben.

 

Eine wirklich tolle Jury, in der auch Guillermo Arriaga saß. Aber ich widerspreche der Aussage von vielen Menschen, dass Quentin und ich die gleichen Filme machen. Wir haben keine Verbindung; abgesehen davon, dass wir Filme lieben und sie mit enormer Energie drehen. Vielleicht noch, dass wir beide ein Händchen für Bösewichte haben. Wir arbeiten sehr unterschiedlich. Er unterhält viel mehr, während es mir um meine persönliche Geschichte geht. Ich bin wütender.