Göran Hugo Olsson

The Black Power Mixtape 1967 – 1975

Kinky Afro: Angela Davis' beeindruckende Haarpracht, 1970. Foto: Mouna Filmverleih
(Kinostart: 14.12.) Als die USA vor ihrem zweiten Bürgerkrieg standen: Regisseur Olsson montiert vergessene TV-Bilder zu einem packenden Polit-Thriller. Mit Proto-Osama bin Laden: Louis Farrakhan verfluchte 1974 die weiße «Rasse des Teufels».

Zwei Waffen des weißen Mannes

 

Also ein nostalgischer Rückblick? Keineswegs: Viele Momente sind von kaum überbietbarer Aktualität. Ein Teenager sieht keine Zukunft für sein Land, weil alle integren Politiker beseitigt und Reformen viel zu spät begonnen würden – Politikverdrossenheit at its best. Carmichael erinnert daran, dass die US-Geschichte mit dem Völkermord an Indianern beginnt.

 

Der schwarze Schriftsteller Lewis Michaux spricht von den «zwei Waffen des weißen Mannes: der Bibel und dem Gewehr». Und ein gewisser Courtney Callender vom «Studio Museum» in Harlem konstatiert kühl: «Falling in love with black things is essentially racist.» Der ultimative Kommentar zu Dritte-Welt-Läden, «asiatischen Werten» und sonstigen Ethno-Partikularismen aller Art.

 

Gefängnis-Revolte für Zahnbürsten

 

Was wollten die Afro-Amerikaner? Schlicht anständige Versorgung, menschenwürdigen Wohnraum, Zugang zu Bildung und berufliche Chancengleichheit. Im Gefängnis von Attica bricht 1971 eine Revolte aus: Die Häftlinge verlangen Zahnbürsten, tägliches Duschen, Zeitungen und Bücher. Im Interview erzählt Angela Davis von einem Bombenanschlag des Klu-Klux-Klan 1963 auf ihr Nachbarhaus, bei dem vier Bekannte starben – zuvor hatte der Bürgermeister zu «Blutvergießen» aufgerufen. Das ist erst 48 Jahre her.

 

Natürlich sind die Vereinigten Staaten heute ein anderes Land: Barack Obama ist US-Präsident. Doch die Kriege in Afghanistan und Irak haben die Staatskasse geleert wie einst Vietnam – und die Nation ähnlich demoralisiert. Hört man heute den bekannten Schwarzen zu, die Olsson die Bilder von damals kommentieren lässt, scheint vieles unverändert zu sein.

 

Jeder zweite Häftling ist schwarz

 

Der Musiker Ahmir «Questlove » Thompson beklagt, das FBI habe ihn verhört, weil er einer 40 Jahre alten Carmichael-Rede lauschte. Harry Belafonte mutmaßt, «die Reichen» hätten Martin Luther King zum Schweigen gebracht, weil er soziale Forderungen erhob. Der Rapper Talib Kweli behauptet, US-Präsident Nixon und das FBI hätten den Drogenhandel organisiert, um die Schwarzen auszuschalten. John Forté von den «Fugees» erinnert daran, dass nur 13 Prozent der US-Bevölkerung, aber fast die Hälfte aller Gefängnisinsassen schwarz sind.

 

Man muss weder an Verschwörungs-Theorien noch an die Revolutions-Romantik damaliger Parolen glauben, um die Relevanz des Films zu schätzen: Wie ähnlich zeitgenössische Stimmen argumentieren, ist bemerkenswert. Ein Déjà-vu-Erlebnis anderer Art bietet Louis Farrakhan, langjähriger Führer der «Nation of Islam».

 

Ordnung durch Bücherlesen

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.


1974 redet er von den Weißen als «Rasse des Teufels» und prophezeit: «Allah wird die Hölle der USA zerstören!» – als spräche Osama bin Laden. Gottlob hat Louis bin Laden nicht das letzte Wort. Das gebührt der Soul-Sängerin Erykah Badu: «Vieles kommt in Ordnung durch altmodisches Bücherlesen.» Yo, sista!