Icíar Bollaín

Und dann der Regen – También la Lluvia

Culture Clash: Daniel (Juan Carlos Aduviri), der im Film den Indianer-Häuptling Hatuey spielt, lehnt Sonderwünsche von Regisseur Sebastián ab. Foto: Piffl Medien
(Kinostart: 29.12.) Wiederkehr der Tragödie als Farce: Während ein Filmteam in Bolivien den Kampf von Indios gegen Kolumbus dreht, brechen Unruhen aus. Ein kluges Revoluzzer-Melodram über das neokoloniale Dilemma.

Die endgültige Entdeckung der Neuen Welt: Der spanische Regisseur Sebastián (Gael García Bernal), ein junger Heißsporn, will den definitiven Film über die Eroberung Amerikas drehen. Ihm schwebt kein Helden-Epos über Kolumbus’ Wagemut vor, sondern eine Abrechnung mit Gier und Grausamkeit der Konquistadoren.

Info

Und dann der Regen – También la Lluvia

 

Regie: Icíar Bollaín, 104 min., Spanien/ Bolivien 2010;
mit: Gael García Bernal, Luis Tosar, Juan Carlos Aduviri

 

Website zum Film

Aus Kostengründen hat Produzent Costa (Luis Tosar) die Dreharbeiten ins bolivianische Cochabamba verlegt. Dort grünt der Dschungel so üppig wie in der Karibik; Komparsen sind billig und die Bevölkerung ist willig. Beim offenen Casting werden Sebastián und Costa von verarmten Indios bestürmt.

 

Regenwasser auffangen verboten

 

Daniel (Juan Carlos Aduviri) erhält eine Hauptrolle. Er soll den Kaziken Hatuey verkörpern, der auf Kuba einen Aufstand gegen die Invasoren anführte. Eine passende Wahl: In der Gegenwart organisiert Daniel Proteste gegen die Privatisierung der Wasserversorgung. Deren Preis hat der neue Eigentümer verdreifacht und zugleich untersagt, Regenwasser aufzufangen – daher der Titel des Films.

Offizieller Film-Trailer


 

Verschachtelte Film-im-Film-Szenen

 

Davon bekommt das ausländische Filmteam zunächst wenig mit: Es schlägt sich mit Boliviens maroder Infrastruktur und unwirtlichen Drehorten im Urwald herum. Trotz Widrigkeiten kommen die Aufnahmen voran – da eskaliert eine Demonstration in Cochabamba zum offenen Aufstand gegen die lokalen Behörden. Die Spanier müssen wählen: Stellen sie ihren Film um jeden Preis fertig, oder unterstützen sie den Kampf ihrer Statisten?

 

Dieser Stoff erscheint auf dem Papier, als sei er am Reißbrett von Dritt-Welt-Aktivisten konstruiert: Warum sollten fremde Filmemacher ausgerechnet in jener bolivianischen Provinzstadt auftauchen, in der tatsächlich im Jahr 2000 gewalttätige Unruhen gegen die Privatisierungs-Politik losbrachen? Doch Regisseurin Icíar Bollaín bewältigt die Handlung auf mehreren Ebenen mit Film-im-Film-Szenen und verschachtelten Konflikten souverän.

 

Spanier bleiben Eindringlinge

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine kultiversum-Besprechung des Films "Sin Nombre" von Cary Fukunaga über illegale Emigration aus Mexiko

 

und hier einen Beitrag über "La Yuma - Der eigene Weg" von Florence Jaugey; der erste Spielfilm aus Nicaragua seit 20 Jahren

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Das Potosí-Prinzip" mit Barock-Malerei aus Bolivien im Haus der Kulturen der Welt.

Möglicherweise hat sie schlicht ein Making-of ihres eigenen Projektes gedreht: Gut vorstellbar, dass Bollaín in Bolivien auf die gleichen Probleme stieß, die ihr Film thematisiert. Ihre Lösung weist weit über anekdotische Ereignisse hinaus – selten wird das neokoloniale Dilemma so anschaulich vorgeführt.

 

Die Spanier treten nicht als skrupellose Herren-, sondern als liberale Gutmenschen auf: Sie wollen den vor 500 Jahren Eroberten historische Gerechtigkeit widerfahren lassen. Aber sie sind Eindringlinge: Ihre nachholende Wiedergutmachung reproduziert dasselbe Machtgefälle, das ihr Film anklagen soll. Fremde richten über das Schicksal der Einheimischen.

 

Schöne Solidaritäts-Romantik

 

Denen bleiben im Wortsinne nur Statistenrollen: Ob als Bedienung am Tisch, als stumme Gestalten in Massenszenen oder als Opfer staatlicher Willkür. Ihre Selbstermächtigung im Protest bringt nicht nur das Sozialgefüge, sondern auch das Weltbild ihrer wohlmeinenden Fürsprecher ins Wanken.

 

Dass die sich am Ende gegen ihren Drehplan und für bedingungslose Solidarität entscheiden, ist etwas zu schön, um wahr zu sein. Aber ein wenig Revolutions-Romantik darf in der träumerisch tatenlosen Zeit zwischen den Jahren schon sein.