Jan Schmidt-Garre

Der atmende Gott – Reise zum Ursprung des modernen Yoga

T.K. Shribashyam demonstriert ein Asana mit Kind. Foto: © MFA+ Filmdistribution/ Jan Schmidt-Garre
(Kinostart: 5.1.) Woher kommen die Yoga-Übungen? Regisseur Schmidt-Garre spricht an der Wirkungsstätte eines Meisters mit dessen Schülern: Historische Film-Szenen mit klassischer Musik machen den kulturellen Abstand bewusst.

Andere Yoga-Großmeister ignoriert

 

Wobei das moderne Yoga in seinen verschiedenen Varianten nicht nur auf Krishnamacharya und seine Schüler zurückgeht, wie der Film propagiert. Natürlich hat dieser Meister die Entwicklung des Hatha Yoga in Indien wesentlich geprägt.

 

Dennoch bildeten andere Großmeister ebenfalls wichtige Zweige des Hatha Yoga aus und machten sie im Westen populär. Etwa Swami Sivananda aus Rishikesh und seine Schüler Vishnudevananda und Satyananda Parahamsa: Ihre Yoga-Variante ist weniger körperlich und ganzheitlicher geprägt.

 

Von Rimski-Korsakow-Arie untermalt

 

Der Film enthält wunderbares, bislang unbekanntes Archivmaterial aus Indien Anfang des 20. Jahrhunderts: Zu sehen sind Krishnamacharyas eigene Yoga-Praxis, die seiner Kinder und Schüler sowie reizende Yoga-Vorführungen am Hofe der Königsfamilie von Mysore.

 

Diese Szenen erinnern an Stummfilme der 1920er Jahre; sie werden von klassischer Musik ausdrucksstark begleitet. Der Regisseur greift dabei auf Werke der Spät-Romantiker zurück, beispielsweise die Arie «Hindu Song» aus Rimski-Korsakows Oper «Sadko» von 1898.

 

Tempel für Gott im Lotus-Sitz

 

Das wirkt im ersten Augenblick befremdlich; im Westen verbindet man mit indischer Musik eher Sitar-Klänge. Doch diese spätromantische Musik bringt europäische Sehnsucht nach indischer Exotik zum Ausdruck: Damit thematisiert Schmidt-Garre bravourös den Abstand zwischen seiner Perspektive und einem Phänomen der indischen Kultur.

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine kultiversum-Besprechung der Ausstellung "India Awakens" im Essl Museum, Klosterneuburg bei Wien, Österreich.


Als roter Faden zieht sich die Frage nach dem Ursprung des Yoga durch den Film: Entstammen die Asanas mythischen Zeiten, oder sind sie erst im 20. Jahrhundert entstanden? Am Ende seiner Reise gelangt der Regisseur zu einem kleinen Tempel, in dem sich der Filmtitel klärt: Er ist dem «atmenden Gott» im Lotus-Sitz geweiht – an dessen Atem wir teilhaben, wenn wir Yoga machen.

 

König im Kopfstand verstehen

 

Dennoch bleibt die Frage im Film ohne endgültige Antwort – aber vielleicht kommt es darauf auch gar nicht an. Oder es hilft weiter, wie im indischen National-Epos Ramayana beschrieben, sich wie einer der Untertanen des Königs in den Kopfstand zu begeben, um so das Fehlverhalten des Monarchen besser verstehen zu können.