Alexander Sokurow

Faust

Zwist um den Teufelspakt: Faust (Johannes Zeiler, re.) streitet mit Mephisto (Anton Adassinsky). Foto: MFA+ FilmDistribution
(Kinostart: 19.1.) Höllenfahrt eines Klassikers: Regisseur Sokurow verwurstet Goethes Menschheits-Tragödie zum Blut-und-Hoden-Drama. Ein nihilistischer Altherren-Witz als russischer Kultur-Export, von Putin persönlich gefördert.

Herren-Abend im Offiziers-Kasino

 

Dagegen glänzt Gretchen (Isolda Dychauk) als reine Unschuld; gern in Fischaugen-Optik, von numinosem Schimmer umstrahlt. Wenn bereits die Erscheinung der Protagonisten alles sagt, kommt es auf Dialoge kaum noch an. Letzte Fragen verenden in banalem Geplänkel: «Was macht der Tod? Stirbt der Mensch ganz?» – «Die Wissenschaft besagt, dass der Tod existiert.» – «Aber das Leben gibt die gleiche Antwort.»

 

Noch ärger treibt es Mephisto mit seinem Schüler: «Drei Dinge binden die Frau an den Mann: Geld, Wollust und gemeinsame Haushaltsführung». Solches Altmänner-Geschwätz macht den Film zum Herren-Abend im Offiziers-Kasino.

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

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und hier ein Interview mit Regisseur Cyril Tuschi über Filmemachen in Russland unter Putin

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Stiller Widerstand. Russischer Piktorialismus 1900 - 1930" im Martin-Gropius-Bau, Berlin.


Das Duo infernale wühlt sich durch saufende Studenten-Horden, Berge von Plunder und Zivilisation als Schutthalde. Kein Wunder, dass Faust wie dem Publikum am Ende der Geduldsfaden reißt: Er meuchelt Mephisto und zieht heroisch von dannen – in Islands Eiswüsten.

 

Sowjet-Tradition der Historien-Klamotte

 

Alexander Sokurow gilt als legitimer Nachfolger des metaphysischen Meister-Regisseurs Andrej Tarkowski. Dessen Menschheits-Tragödien schrumpfen hier zur Butzenscheiben-Farce: Die zwei Stunden lange Zote laugt den Zuschauer so aus wie ihre überbelichtet entsättigten Bilder. Alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht.

 

Damit knüpft Sokurow an die sowjetische Kino-Tradition der Historien-Klamotte an. Zugleich erweist er der von ihm verehrten deutschen Kultur seine Referenz. Das mag den  mephistophelischen Kreml-Herrscher bewogen haben, diesen «Faust» mit acht Millionen Euro zu fördern: um «die russische Mentalität der europäischen Kultur nahe zu bringen», so Putin.

 

Nihilismus des Teufels

 

Das Ergebnis gibt ihm Recht: Der Film dünstet einen so schwefelsauren Nihilismus aus, dass ihn sofort der Teufel holen möge. Was in die Biennale-Jury von Venedig gefahren ist, als sie ihm 2011 den Goldenen Löwen zuerkannte, wissen nur die höllischen Heerscharen.