
Original-Tür der Kaaba aus Mekka
Daneben wirkten autochthone und andere Einflüsse. Im benachbarten Dedan kamen Kolossal-Statuen aus dem 4. Jahrhundert v.Chr. ans Licht, deren strenge Symmetrie und Formgebung ägyptischen und babylonischen Vorbildern entlehnt ist: ein Blickfang der Ausstellung. Ansonsten verblüfft weniger der Schauwert einzelner Objekte als vielmehr ihre enorme Vielfalt – Saudi-Arabien als Kreuzungspunkt europäischer und asiatischer Kulturen.
Das endete im 7. Jahrhundert. Das Siegel der Propheten etablierte den Islam als neuen Monotheismus, seine Nachfolger eroberten ein Weltreich, und die Gemeinschaft der Gläubigen richtete sich nach Medina und Mekka aus. Von dort stammen die kostbarsten Ausstellungs-Stücke, prachtvoll im Kopfsaal des Rundgangs inszeniert – darunter eine Original-Tür der Kaaba aus osmanischer Zeit, also der Zugang zum Allerheiligsten, sowie Teile der Kiswa. Diese schwarze, reich mit Kalligraphie verzierte Umhüllung der Kaaba wird alljährlich neu angefertigt.
Memento verweigerter Modernisierung
Dagegen fällt der zweite Teil der Schau stark ab. Berichte und Bilder von Orient-Reisenden aus dem 19. Jahrhundert zeigen kaum die arabische Halbinsel, sondern eher die Sicht der Außenwelt auf sie. Der Bau der Hedjaz-Eisenbahn von Damaskus nach Medina erwies sich als Pleite.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Besprechung der Ausstellung “Königsstadt Naga” in Berlin über Relikte der antiken ägyptisch-schwarzafrikanischen Mischkultur des Reiches von Meroë im heutigen Sudan
und hier eine Rezension der Schau "Lawrence von Arabien - Genese eines Mythos" in Köln über den britischen Nahost-Kriegshelden im Ersten Weltkrieg und den Verfall der Hedjaz-Bahn
und hier einen Beitrag über die Ausstellung “Die geretteten Götter aus dem Palast von Tell Halaf” in Berlin über die Restaurierung 3000 Jahre alter Monumente aus Syrien
und hier einen kultiversum-Bericht über "Grey Borders / Grey Frontiers"; die erste Ausstellung in Deutschland mit Gegenwarts-Kunst aus Saudi-Arabien.
Königs-Mantel und Prunk-Schwert
Ähnlich lässt sich ein bizarrer Gedenk-Raum für die «Gründung des Königreichs» 1932 interpretieren. Samt Monumental-Porträt des Dynastie-Ahnherrn König Abd al-Aziz, seinem Mantel und Prunkschwert – als gehörten auch sie zu den «archäologischen Schätzen», denen die Schau gewidmet ist.
Ungeachtet dieses Kotaus vor der antiquiert absolutistischen Staatsform ist die Ausstellung ein Fortschritt: für das Selbstverständnis und die Außendarstellung Saudi-Arabiens. Allmählich legt es sein fast autistisches Selbstverständnis als «Hüter der beiden heiligen Stätten» des Islam ab und begreift sich als Teil des mediterran-nahöstlichen Kulturraums.
Archäologie als ABM-Programm
Überall im Land werden vorislamische Siedlungs-Reste freigelegt und neue Museen eingerichtet, um Touristen anzulocken. Auch als Arbeitsbeschaffungs-Programm für den qualifizierten, doch häufig beschäftigungslosen Nachwuchs: Mehr als die Hälfte der jungen Frauen hat einen Hochschul-Abschluss, darf aber nicht einmal Auto fahren. Ihr Unmut über ihre Diskriminierung wächst – und die Königsfamilie wird sich nicht mehr lange mit Erdöl-Milliarden sozialen Frieden erkaufen können.