
Vom Stadtstaat zum Weltreich und wieder zurück: Konstantinopel war Mitte des 15. Jahrhunderts zur Kleinstadt mit rund 50.000 Einwohnern abgesunken. Das Byzantinische Reich bestand nur noch aus wenigen Außenposten in der Ägäis, eingeschlossen von osmanischem Territorium.
Info
Fetih 1453 – Die Eroberung von Konstantinopel
Regie: Faruk Aksoy, 160 min., Türkei 2011;
mit: Devrim Evin, Dilek Serbest, Erden Alkan
Deshalb wollte der erst 20-jährige Sultan Mehmet II. unbedingt Konstantinopel erobern. Das gelang ihm nach fast zweimonatiger Belagerung mit einer riesigen Streitmacht: Er mobilisierte mehr als 50.000 Soldaten, Zehntausende von Arbeitern und 69 Kanonen. Ein christlicher Überläufer namens Urban hatte sie gegossen; die größte war acht Meter lang und verschoss 600 Kilo schwere Kugeln.
Überland-Fahrt der Sultans-Flotte
Dagegen zählten die Verteidiger unter Kaiser Konstantin XI. kaum 10.000 Mann. Dennoch hielten die massiven Stadtmauern dem Beschuss lange stand. Das Kriegsglück wendete ein Husarenstück des Sultans: Er ließ seine Flotte vom Bosporus über Land ins Goldene Horn ziehen, dessen Mündung eine Kette versperrte. Am 29. Mai 1453 fiel Konstantinopel; drei Tage lang wurde geplündert. Viele Überlebende flohen oder wurden deportiert.
Offizieller Film-Trailer
Drei Stunden mit 15.000 Komparsen
Den größten Sieg des osmanischen Reiches bringt Regisseur Faruk Aksoy als teuerste Produktion der türkischen Film-Geschichte ins Kino: 17 Millionen Dollar Budget, jahrelange Dreharbeiten, 15.000 Komparsen und fast drei Stunden Spielzeit. Die erste verläuft schleppend. Endlose Beratungen stellen zwar präzise die historische Lage dar, huldigen aber langatmig dem unfehlbaren Feldherrn mit dem Ehrentitel «der Eroberer» («Fetih») und seinen ihm ergebenen Haudegen
Mit dem Truppen-Aufmarsch vor den Stadtmauern kommt Leben auf die Leinwand. Bei wechselhaftem Schlacht-Verlauf darf auch die Lichtgestalt des Sultans Nervenschwäche zeigen. Zudem mischt Urbans – wohl erfundene – muslimische Adoptivtochter Era den Machtkampf der Männer auf; sie fertigt Wunder-Geschütze für die Artillerie. Dabei lernt man viel über frühneuzeitliche Kriegs-Techniken: griechisches Feuer, wandernde Wehrtürme und unterirdische Spreng-Tunnel.
Mischung aus Faktentreue und Fiktion
Das digital auf Opulenz getrimmte Schlachten-Gemälde endet abrupt, als es brenzlig wird. Der Sultan besucht die Hagia Sophia und verspricht Schutz für die in der Kirche Eingeschlossenen. Reine Geschichtsklitterung: In Wirklichkeit wurden die Wehrlosen niedergemacht. Allerdings wäre es müßig, Regisseur Aksoy seine Mischung aus Faktentreue und Fiktion vorzuwerfen. Historien-Spektakel aus Hollywood wie «Troja» oder «Gladiator» vermengen beides ebenso bedenkenlos.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Hymne auf den Film "Once upon a time in Anatolia" von Nuri Bilge Ceylan
und hier eine Besprechung des türkischen Terrorismus-Thrillers "Labirent" von Tolga Örnek
und hier einen kultiversum-Beitrag über die Ausstellung "Byzanz - Pracht und Alltag" in der Bundeskunsthalle, Bonn.
Eroberer-Nachfolger Erdoğan
Eine ähnliche Konstellation wie im Film vor 500 Jahren: Christliche Gegner schlagen sich achtbar, doch sie treiben unrettbar ihrem Untergang entgegen. Denn die Osmanen wissen Allahs Segen auf ihrer Seite: «Unser Prophet hat verkündet: Eines Tages wird Konstantinopel erobert werden.»
Religiöse Untertöne, derer sich auch Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan gern bedient. Er sieht sich wie Sultan Mehmet II. als genialer Stratege, der gegen alle Widerstände Recht behält. Ein autoritäres Amts-Verständnis, das der Film mit einer versöhnlichen Botschaft schmackhaft machen will: Unterworfenen soll kein Haar gekrümmt werden. Würde sich Erdoğan anders als sein Vorgänger daran halten, wäre das ein echter Fortschritt.