Martin Scorsese

Hugo Cabret

Die Zeit anhalten: Wie einst Harold Lloyd findet Hugo seine letzte Zuflucht am Zeiger der Bahnhofsuhr. Foto: © Paramount Pictures Germany
(Kinostart: 9.2.) Zauberhafte Spielerei: Regisseur Scorsese hat ein Kinderbuch in 3D verfilmt – als Liebeserklärung an die Anfänge des Kinos. Sein bildgewaltiger Abenteuer-Film ist für elf Oscars nominiert.

Paris 1931: Der 12-jährige Waisenjunge Hugo Cabret (Asa Butterfield) lebt in einem tickenden Uhrwerk des Pariser Bahnhofs Montparnasse mit seinem Onkel Claude (Ray Winstone). Von ihm lernt er, die kolossalen Getriebe zu pflegen, doch schon bald ist er auf sich gestellt. Denn Claude, der tagsüber trinkt oder schläft, verschwindet plötzlich spurlos.

 

Info

 

Hugo Cabret

 

Regie: Martin Scorsese, 127 min., USA 2011;
mit: Asa Butterfield, Ben Kingsley, Sacha Baron Cohen

 

Website zum Film

 


Durch die Ziffernblätter mustert Hugo das Bahnhofs-Gedränge und plant kleine Diebeszüge. Reisende treffen sich im Café, ein hagerer Inspektor (Sacha Baron Cohen) samt bissigem Dobermann dreht seine Runden, und ein Spielzeugladen-Inhaber (Ben Kingsley) hält nach Kundschaft Ausschau.

 

Stummfilm-Pionier verkauft Spielwaren

 

Hugos Vater (Jude Law) war ein leidenschaftlicher Bastler und Uhrenmacher. Kurz vor seinem Tod brachte er eine mysteriöse Maschine in Menschengestalt heim. In der Hoffnung auf eine Nachricht an ihn macht sich Hugo an die Reparatur. Als er nach dem letzten fehlenden Einzelteil sucht, einem Schlüssel in Herzform, trifft er Isabelle (Chloë Grace Moretz).

Offizieller Film-Trailer


 

Gemeinsam ergründen die Kinder das Geheimnis der Maschine und ihres Erbauers. Der Spielwaren-Händler ist Isabelles Onkel – und zugleich der frühere Zauberer und spätere Stummfilm-Pionier Georges Méliès. Nachdem er sein Vermögen verloren hatte, sattelte er auf Spielwaren-Handel um. Hugo und Isabelle setzen alles daran, den desillusionierten Sturkopf wieder zum Filmemachen zu bewegen.

 

Ideal-Bahnhof aus Versatzstücken

 

Martin Scorsese ist mit komplexen Themen für Erwachsene weltberühmt geworden; nun richtet er sich überraschend an ein junges Publikum. Der Film basiert auf dem Kinderbuch «Die Entdeckung des Hugo Cabret» von Brian Selznick, einem Nachfahren des legendären Hollywood-Produzenten David O. Selznick. Diesen Stoff bereitet der Regisseur kinotauglich auf: mit überbordender Fantasie und aktuellen 3D-Effekten.

 

Sein Gare Montparnasse ist ein Ideal-Bahnhof aus lauter Versatzstücken; der Blick durch das Fenster des Bahnhofsturms zeigt Paris in nächtlicher Pracht, und wundersame, goldene Uhrwerke reichen scheinbar ins Unendliche. Solche lieblich romantischen Motive verführen auch Erwachsene zum schwelgerischen Träumen.

 

Nostalgie in bunter Tricktechnik

 

Scorsese verwebt leichtfüßig ein kindgerechtes Abenteuer mit dem traurigen Schicksal des realen Stummfilm-Pioniers. So entdecken die Hauptfiguren auf ihrer detektivischen Suche den Méliès-Klassiker «Die Reise zum Mond» von 1912 – mit der berühmten Szene, in der eine Rakete den Mond ins Auge trifft. Wenn Hugo wie Harold Lloyd in «Safety Last!» am Zeiger des Uhrturms hängt, spielt er charmant auf die Film-Geschichte an.

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presse-Schau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Hymne auf das Stummfilm-Remake "The Artist" von Michel Hazanavicius

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Am Set: Paris - Babelsberg - Hollywood" über Standfotografie bei Stummfilm-Dreharbeiten in der Deutschen Kinemathek, Berlin.

 


Diese nostalgische Beschwörung der Kino-Anfänge verbindet Scorsese mit seinem Kollegen Michel Hazanavicius, dessen «The Artist» zurzeit auf der Leinwand zu sehen ist. Beide Regisseure huldigen ihren Vorgängern auf unterschiedliche Weise: Hazanavicius, indem er das alte Stummfilm-Format perfekt imitiert, Scorsese mit bunter Tricktechnik.

 

Defekte Lok stürzt auf die Straße

 

Die Stärke von «Hugo Cabret» liegt in der Liebe zum bildmächtigen Detail, der überbordenden Ausstattung und dem einfallsreichen Plot, den wunderbare Ideen zieren. Etwa eine Neuinszenierung des berühmten Zug-Unglücks am Gare Montparnasse, als 1895 eine defekte Lokomotive durch die Bahnhofs-Halle raste und auf die Straße stürzte. Für solche Schauwerte ist der Film zurecht für elf Oscars nominiert.