Von einer «Reise zum Mittelpunkt der Erde» träumte schon 1864 Jules Verne. Im Folgejahr wollte sich «Alice im Wunderland» durch den gesamten Globus bohren: «Lustige Vorstellung, auf der anderen Seite rauszukommen, und alle Leute würden auf dem Kopf gehen». Da war Alice etwas auf den Kopf gefallen: Bereits 350 Jahre zuvor hatte der erste Weltumsegler Magellan entdeckt, dass auf der gegenüberliegenden Erdseite keine Kopffüßler wohnen.
Info
¡Vivan las Antipodas!
Regie: Victor Kossakovsky, 108 Minuten, Deutschland 2011
Kaum bewohnbarer Planet
Man sieht vor allem: Die Erde ist ein kaum bewohnbarer Planet. Nur in Schanghai wimmeln erwartbar Menschenmassen. Am anderen Ende des Durchmessers in der argentinischen Pampa unterhalten sich zwei einsame Brücken-Wärter mit wilden Geschichten und wüsten Spekulationen: Sie besitzen kein Radio und sind abgeschnitten vom Rest der Welt.
Offizieller Film-Trailer
Von Lava-Feldern zur Elefanten-Haut
Inmitten einer majestätischen Natur-Kulisse: Die fängt der russische Dokumentarfilmer farbenprächtig ein – wie auch am Ufer des Baikal-Sees, vor Anden-Gipfeln in Süd-Chile, bei glühenden Lava-Strömen des Vulkans Kilauea auf Hawaii oder in der Sandwüste von Botswana. In diesen Einöden liegen wenige Einsiedler-Höfe verstreut; Personen treten nur als murmelnde Staffage-Figuren auf.
Um diese isolierten Gestalten miteinander in Beziehung zu setzen, bemüht Kossakovsky nahe liegende Analogien: Zerklüftete Lava-Felder überblendet er mit faltiger Elefanten-Haut, weidende Schafe in Sibirien mit ihren Artgenossen in Neuseeland. Wenn die Tierwelt nicht ausreicht, krümmen Linsen den Horizont in Fischaugen-Optik.
Im Zickzack-Kurs ohne Narrativ
Oder die Kamera schwenkt in die Vertikale und landet scheinbar am Gegenpol. Diese Kipp- und Spiegel-Bilder wirken auf Dauer arg manieriert. Zumal der Regisseur seine Antipoden im Zickzack-Kurs abgrast: Bald weiß der Zuschauer nicht mehr, wo ihm der Kopf steht.
Dem Bilderbogen fehlt schlicht ein Narrativ: Wie und warum kommt man von A nach B? Wie es vor drei Jahrzehnten der vergleichbare Film «Koyaanisquatsi» bot: Unkommentierte Landschafts-Aufnahmen zeigten die allmähliche Zerstörung von Natur durch Eingriffe des Menschen – die Anschauung verstärkte anschwellende minimal music von Philipp Glass.
Hawaii-Gitarren in Botswana
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Ein sinnfreier culture clash, der an Dia-Shows von Weltenbummlern in Mehrzweckhallen erinnert: Herrlich beliebige Postkarten-Motive werden von bombastischen Klang-Teppichen unterlegt. Das mag gegen Fernweh helfen, doch im Kino bleibt diese Erdumkreisung flach.