Berlin

Afrikanische Stelen im Kontext zeitgenössischer Kunst

Robert Mapplethorpe: ohne Titel, Silbergelatine-Print, 1988. Foto: ohe
Stilisierte Formen afrikanischer Kult-Objekte haben westliche Künstler seit der klassischen Moderne angeregt. Das zeigt anschaulich eine Kabinett-Ausstellung in der Galerie Hirschmann mit Beispielen bis zur Gegenwart.

Der Gedanke liegt nahe: zeigen, wie Afrikas traditionelle Formensprachen kontinuierlich die westliche Kunst beeinflusst haben. Nicht nur die klassische Moderne der Kubisten und Expressionisten, sondern bis in die unmittelbare Gegenwart hinein. Trotzdem greift ihn kaum jemand auf.

 

Info

 

Afrikanische Stelen im Kontext zeitgenössischer Kunst

 

20.01.2012 - 16.03.2012
dienstags bis freitags 13 bis 18 Uhr in der Galerie Hirschmann, Pfalzburger Str. 80, Berlin; Tel. Anmeldung: 0173 - 69 35 555

 

Weitere Informationen

 

Vermutlich, weil das eine Vertrautheit mit der Kunstgeschichte zweier sehr unterschiedlicher Kulturräume voraussetzt, über die nur wenige verfügen. Tobias Hirschmann kennt beide. Seit Beginn seiner Tätigkeit als Galerist beschäftigt er sich intensiv sowohl mit Kunst des 20. Jahrhunderts als auch mit den Kulturen in Schwarzafrika.

 

Jüngster Galerist in Deutschland

 

Der heute 46-Jährige handelt bereits sein halbes Leben lang mit Kunst. Schon als Jugendlicher wusste er, dass er Galerist werden wollte. Mit 23 Jahren eröffnete er seine erste Galerie in Frankfurt-Sachsenhausen – als jüngster Galerist Deutschlands. Seine Geschäfte liefen so gut, dass er bald eine Filiale in München eröffnen konnte.


Impressionen der Ausstellung


 

Würde-Stäbe und Zeremonial-Speer

 

Im Jahr 2000 schloss er beide Galerien und stieg auf den Handel mit hochwertigem Interieur um. 2009 zog er finanziell abgesichert nach Berlin. Hier ließ er sich davon überzeugen, den Nachwuchs zu fördern. Seit Herbst 2010 betreibt Hirschmann wieder eine kleine Galerie: In ihr zeigt er bevorzugt Arbeiten von Hochschul-Absolventen, die er mit etablierten Kollegen kombiniert.

 

Oder mit Werken aus fremden Kulturen wie in der aktuellen Ausstellung, um Einflüsse zu veranschaulichen. Fast alle der 26 Exponate stammen aus Hirschmanns privater Sammlung. Im Mittelpunkt der Schau stehen Würde-Stäbe aus Afrika und ein Zeremonial-Speer aus Melanesien: Rangzeichen hoher Würdenträger, vergleichbar mit Zeptern in Europa. Exquisite Stücke aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert werden für fünfstellige Beträge gehandelt.

 

Goldene Idole im Schutz-Schrein

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Afrikanische Bronzen" aus der Sammlung Paul Garn in der Galerie Peter Herrmann, Berlin

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Dogon - Weltkulturerbe aus Afrika" in der Bundeskunsthalle, Bonn

 

und hier eine Kritik der Ausstellung “Afropolis” über fünf afrikanische Mega-Cities in Köln + Bayreuth

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung “Momente des Selbst: Porträt-Fotografie und soziale Identität” mit afrikanischer Fotografie in The Walther Collection, Neu-Ulm.

 

Die streng vertikal ausgerichteten Schnitz-Arbeiten konfrontiert er mit Zeitgenossen, die deren Körper-Auffassung aufgreifen: etwa einer Akt-Aufnahme von Robert Mapplethorpe. Die Rücken-Ansicht eines Farbigen modelliert dessen Muskulatur ähnlich plastisch wie bei den Aufsatz-Figuren, die Würde-Stäbe zieren.

 

Oder mit goldenen «Idolen» des Nürnberger Bildhauers Dieter Maria Scheppach. Seine schlichten, überlebensgroßen Konstruktionen verjüngen sich an beiden Enden; das verleiht ihnen ätherische Qualität und erinnert an die «Endlose Säule» von Constantin Brancusi. Scheppach knüpft direkt an afrikanische Werke an: Er vergoldet Reliquiar-Figuren und fertigt für sie Schreine an – wie es die Akan in Ghana tun, um sie vor Blicken Unbefugter zu verbergen.

 

Rückkehr zu den Anfängen

 

Offenkundig ist auch die Beziehung zwischen einem Kult-Stab der Senufo vom Anfang des 20. Jahrhunderts und dem zarten Aquarell von Petra Petitpiere. Die Schülerin von Paul Klee malte es 1928: Beide Darstellungen fokussieren den Leib eines Vogels auf Kopf und Schnabel.

 

Ebenso deutlich wird die Inspirations-Quelle bei zwei Acryl-Malereien von Jacqueline Gainon: Ihre archaisch anmutenden Silhouetten ähneln den stilisiert gerundeten Formen der Aufsatz-Figur auf einem Würde-Stab der Pare in Tansania. Eine Rückkehr zu den Wurzeln auch für Hirschmann: Gainon war die erste Künstlerin, die der Galerist je ausgestellt hat.