Karlsruhe

art KARLSRUHE 2012

Einer der 19 "Skulpturen-Plätze" der Messe. Foto: art KARLSRUHE
Jeder Mensch ein Sammler: Auf der art Karlsruhe verschwimmen die Grenzen zwischen privater Liebhaberei und professionellem Expertentum. Die badische Kunst-Messe zählt mittlerweile zu den drei bedeutendsten im deutschsprachigen Raum.

Karlsruhe beherbergt den Messe-Auftakt des Kunst-Jahres: Drei Tage lang präsentieren 222 Galeristen aus zwölf Ländern auf mehr als 35.000 Quadratmetern Fläche etwa 1500 Künstler mit rund 30.000 Arbeiten. Damit ist die art Karlsruhe im neunten Jahr ihres Bestehens eine der drei bedeutendsten Kunstmessen im deutschsprachigen Raum – neben Köln und Basel.

 

Info

 

art Karlsruhe

 

08.03.2012 - 11.03.2012
täglich 12 bis 20 Uhr, am Sonntag 11 bis 19 Uhr auf dem Messegelände Karlsruhe,  Messeallee 1, Rheinstetten

 

Katalog 25 Euro

 

Website zur Messe

 

Die art Karlsruhe lebt von Spannungen. Sie zieht vor allem Galerien mit zeitgenössischer Kunst an, bietet aber auch Raum für Galerien, die eher mit großen Namen einer vergangenen Kunstepoche handeln: Picasso oder Chagall, Lyonel Feininger oder Ernst Ludwig Kirchner. Ein «befruchtendes Nebeneinander» in der «guten Durchmischung von klassischer Moderne und Gegenwartskunst» ist das Anliegen von Messekurator Ewald Karl Schrade.

 

Grafik ab 100 Euro

 

In Halle 1 werden Grafiken, Fotografien, Editionen, Objekte und Installationen präsentiert. Hier prallen die Zeiten und Welten besonders wagemutig aufeinander. Nepal-Fotos des Hasselblad-Pilgers Reto Camenisch konkurrieren mit Dali-Drucken, ironisch-verspielte Grafiken des Elsässers Raymond Waydelich bei Rémy Bucciali mit den klaren Radierungen von Ralf Ehmann bei Dreipunkt – aktuelle Produktion ab 100 Euro.

Impressionen der Kunstmesse


 

Sammlung Sachs mit Andy Warhol

 

Im Hintergrund der Halle aber dräut die Sammlung von Gunter Sachs, durch gute Kontakte des Kurators nach Karlsruhe gekommen, mit exemplarischen Arbeiten der Pop-Art. Von Andy Warhol sind zwei Serien zu Gunter Sachs und Brigitte Bardot zu sehen. Allen Jones ist vertreten mit zwei Teilen der 1969 produzierten Möbelserie aus lebensgroßen Frauenfiguren: «Esclave (Table)» und «Esclave (Chair)».

 

In den umliegenden Galerien wird Warhol zum Mitnehmen angeboten – preislich nach oben offen. Auch sonst strahlt die Sammlung Sachs in die Kojen der Messe aus: Pop-Art wird auffallend häufig offeriert. Meist in zeitgenössischen Varianten: mit chinesischen Getränkedosen oder einem Augenzwinkern wie in den «Cola Coquettes» von Maximilian Otte. Seine Galerie Exner aus Wien widmet ihm eine der 200 one-artist-shows der Messe.

 

Sammlung Hoppe-Ritter mit Konkreter Kunst

 

Noch eine zweite Sonderschau hat Schrade nach Karlsruhe geholt: 40 Arbeiten aus der Sammlung von Marli Hoppe-Ritter in Halle 4. Ihre Kollektion ist von der Schokoladen-Marke der Familie inspiriert: «quadratisch, praktisch, gut». Die Ritterschen Quadrate von Max Bill, Victor Vasarely, Günther Uecker, Rita Ernst und anderen reiben sich heftig mit der unmittelbaren Umgebung, in der aktuelle Positionen der Gegenwartskunst dominieren – weniger Konkrete Kunst und minimal art.

 

Halle 4 verdankt ihr Profil wesentlich dem 2009 bis 2011 vom Berliner Senat mitfinanzierten Programmteil «Art from Berlin». Hier sollen «Neue Positionen» gezeigt werden. Die Hamburger Galerie macht dies mit Süßwaren-Bildern von Jörg Döring, die eher von Haribo als von quadratischer Schokolade inspiriert sind: «Ask for Oddity». Die Janinebeangallery aus Berlin und die Galerie am Damm (Dresden/Berlin) zeigen, dass Figuren und Landschaft noch immer zu künstlerischen Positionierungen auffordern.

 

Das Wilde als Kuscheltier im Bilderrahmen

 

Donata Benker schafft Bilder seltsam verlorener Wochenendhäuschen, Christiane Wachter hat verlassene ländliche Siedlungen in Grönland in den Blick genommen. Bei Christiane Wachter und Tanja Selzer taucht in den beiden Berliner Galerien ein Tier-Typus auf, der in Karlsruhe auffallend häufig zu sehen ist: mal Wolf, mal Kojote, mal Hund – changierend zwischen Archetyp und Kuscheltier kehrt das Wilde im Bilderrahmen wieder.

 

Bei der Contempop Gallery Tel Aviv tanzt der Wolf mit Rotkäppchen; Landschaften sind  staffiert mit märchenhaften Traumbildern, die schon mal einen Alptraum ahnen lassen. Etwa im fröhlichen Frauenreigen um ein Baby am Strand von Dina Bova, «Center of the Universe» – Hans Thoma lässt grüßen. Galerie-Kollege Roni Ben Simhon stellt dem kühl badende Menschen entgegen, denen nur ihre Schatten geblieben sind.

 

Barocke Vexier-Räume + Miniatur-Architektur

 

Wagner + Partner zeigen in Halle 2 die als barocke Vexier-Räume verfremdeten Fotografien von Raissa Venables. Die one-artist-show der Berliner Galerie gehört Thomas Wrede. Seine Aufnahmen nähern sich dem Thema Landschaft von der Modell-Eisenbahn her. Er stellt Miniatur-Architektur ins Freie – so hinterhältig aufgenommen, dass kaum auffällt, wenn ein Dorf nicht in einer Berglandschaft liegt, sondern inmitten von Erdhügeln.

 

Ohne Titel lässt Christoph M. Gais seine schwebenden kosmischen Eier bei der Galerie Nothelfer feudale Ornamente zelebrieren und zeigt, dass die Malerei noch immer Überraschungen bereithält – auch wenn sich Fotografen auf der Kunstmesse in den Vordergrund schieben. Seine dänische Maler-Kollegin Nina-Sten Knudsen steht bei Albrecht «auf der Kompass-Rose» mit Laptop und Vermessungs-Instrumenten in einer Brueghel-Landschaft.

 

Messe, Museum + Ausstellung zugleich

 

Einen ähnlichen Ansatz wie Thomas Wrede verfolgt Chung Kwang Hwa (Galerie Evi Gougenheim/Paris) mit Bildern von Autos in Schneelandschaften, die von einer Modell-Landschaft aus Gips abgenommen sind. Das Modell wurde auf der art Karlsruhe auch präsentiert – zur Erbauung nicht nur der Kinder.

 

Dass es viel Überraschendes in Karlsruhe zu entdecken gibt, liegt auch daran, dass diese Messe in ein zweites Spannungsverhältnis neben dem von Moderne und Gegenwart verstrickt ist: Sie möchte nicht nur Handelsmesse, sondern auch Museum und Ausstellung sein.

 

Kurator sammelt Besen

 

ZKM-Chef Peter Weibel erklärt dies zum Auftakt: Privatsammler und Museums-Macher sind keine klar getrennten Professionen mehr. Immer häufiger errichten Privatsammler eigene Museen; andererseits zeigen Museen immer häufiger Ausstellungen von Privatsammlungen.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier einen Bericht über die Kunstmesse "art berlin contemporary" vom 08. bis 11.09.2011 in Berlin

 

Ginge es nach Ewald Schrade, sollte ohnedies jeder Mensch ein Sammler sein. Und sei es von Bierdeckeln – Schrade selbst sammelt neben Kunst auch Besen.

 

Doch bei Bierdeckeln sollte man nicht stehen bleiben: Das diesjährige Motto der Art Karlsruhe lautet «Sehen und Sammeln». Damit beides gut geschult verläuft, bietet die Messe einen großzügigen Rahmen für die notwendige Muße – und außerdem ein Diskussionsforum, das «Insiderwissen ans große Publikum» vermitteln soll.