Martin Gerner

Generation Kunduz – Der Krieg der Anderen

Dreharbeiten als Hingucker: Passanten beobachten das Filmteam bei der Arbeit. Foto: Martin Gerner
(Kinostart: 15.3.) Ganz dicht dran und zu weit weg: Martin Gerner porträtiert junge Afghanen und ihr Leben im Kriegszustand. Die verschachtelte Montage-Doku aus O-Tönen bietet seltene Einblicke in ihren Alltag – ohne Kommentar.

Ein unbehauener, roher Film: Afghanen erzählen ohne Off-Kommentar oder geschönte Bilder; kein roter Faden, keine Ruhepunkte. Wie bei Vorab-DVDs für Rezensenten üblich, wird ununterbrochen in Großbuchstaben ein Wasserzeichen eingeblendet. Es lautet hier «for private use only», und irgendwann hat sich dieser Eindruck eingebrannt: Ja – das ist kein Film für eine größere Öffentlichkeit.

 

Info

Generation Kunduz -
Der Krieg der Anderen

 

Regie: Martin Gerner, 80 min., Afghanistan/ Deutschland 2011;
mit: Mirwais, Nazanin, Hasib, Ghulam, Khatera

 

Website zum Film

Dabei kokettiert «Generation Kunduz – der Krieg der Anderen» von Martin Gerner schon im Titel mit Großerfolgen; diese zumeist atemlose 80-Minuten-Dokumentation hat gute Protagonisten und bietet teils auch packende Bilder für ein größeres Publikum. Wir sehen anfangs einen wilden Reiter, der mit einer toten Ziege im Schlepptau durch eine provisorische Arena fliegt. Von anderen gejagt, stürmt er mitten zwischen geparkten Autos hindurch.

 

National-Sport fordert Tote

 

Ihn beobachten Hunderte von Turban-Trägern, die ruhig an einem Hang im Staub sitzend zusehen. Der «Buzkashi» genannte National-Sport ist ein Kampf von Stamm gegen Stamm; eine Reiterjagd mit hohen Wett-Einsätzen, die immer wieder Tote fordert. Die Öffentlichkeit, die man auf den Straßen sieht, ist eine Männerwelt.

 

Link zum offiziellen Film-Trailer


Interview mit Regisseur Martin Gerner


 

Papa kann lesen, Mama nicht

 

Plötzlich jagt ein Düsenjäger über die Landschaft – ein Flugobjekt wie von einem anderen Stern. Zwischen diesen beiden einander fremden Sphären herrscht ein kriegerischer Zustand; das ist das Setting des Films.

 

Mirwais, ein kleiner Junge, erzählt: Wenn ein Düsenjäger abstürzt, sterben vier Amerikaner, aber zehn bis 15 Afghanen. Warum? Weil Krieg sei. Der Zehnjährige ist Schuhputzer wie viele andere Kinder seines Alters. Von seinem Verdienst kauft er Brot für die Familie; danach versucht er, für die Schule zu lernen. Sein Vater könne lesen, die Mutter nicht, sagt er.

 

Lieber Juristin als Radio-Journalistin

 

Wir hören Schüsse, die unruhige Kamera wird noch hektischer: Afghanische Polizei fährt vorbei, wir sind irgendwo auf einem Markt. Nach einigen Minuten kommen Frauen ins Bild; erst in Burkas, dann in einem Haus mit unverhülltem Gesicht. Sie besuchen einen Kurs über die Rolle der Frau im Islam. Ein Imam spricht, die Frauen hören zu. Es seien Lehrerinnen und Beamtinnen, die in Dörfern weiter über den Islam aufklären wollen, erklärt eine der Frauen nebenbei einer Radio-Interviewerin. Schnitt.

 

Die Radio-Journalistin namens Nazanin erzählt, sie könne heutzutage arbeiten; das sei früher undenkbar gewesen. Einerseits sei das ein Traum für sie, andererseits würde sie ohne die Arbeit beim Radio auch kein Geld verdienen. Denn eigentlich würde sie lieber Jura studieren, um Anwältin oder Staatsanwältin zu werden.

 

Hilfsgelder treiben Brotpreis hoch

 

Dann zählen Brotverkäufer ihren Umsatz an den Kerben eines Stockes ab: eine Kerbe, ein Brot. Ein junger Mann erzählt, der Preisanstieg für Brot werde verursacht durch das viele Hilfsgeld, das nach Afghanistan fließe. Es treibe die Preise hoch, ohne mehr Arbeitsplätze zu schaffen.

 

Der junge Mann heißt Hasib und arbeitet als Wahlhelfer. Er erklärt, wie gewählt wird, und wie gefährlich seine Fahrten über Land sind. Wir werden ihn später bei Wahlen wieder sehen, die chaotisch verlaufen: Mehr als eine Million Stimmen wurden gefälscht. Hasib klagt über Drogenbarone, Warlords und mafiöse Zustände – so sei kein Staat zu machen.