Als Deutschlands Freiheit noch nicht am Hindukusch verteidigt wurde: 1953 fuhren zwei junge Adlige einfach so mit dem Wagen nach Afghanistan. Zur Einreise genügte ihnen ein gestempelter Zettel vom afghanischen Kulturattaché in Teheran: Abdul Ghafur Brechna war mit einer Deutschen verheiratet und hatte Malerei bei Max Liebermann studiert.
Info
Gesichter Afghanistans: Erfahrung einer alten Welt – Fotografien von 1953
30.03.2012 - 27.05.2012
täglich außer montags im Willy-Brandt-Haus, Stresemannstr. 28, Berlin
Während ihres dreimonatigen Aufenthaltes in Afghanistan machte sie zahllose Aufnahmen. 110 davon sind nach der ersten Station in Hamburg nun im Berliner Willy-Brandt-Haus zu sehen: nach Regionen geordnet und mit kurzen, informativen Erläuterungen versehen.
Impressionen der Ausstellung
Vertraute Turban-Träger
Etwas Paradoxes geht von diesen Fotos aus. Einerseits wirken die Turban tragenden Männer und in Burkas gehüllten Frauen seltsam vertraut: Aus keinem anderen Land Zentralasiens haben im letzten Vierteljahrhundert so viele Bilder den Westen erreicht wie aus Afghanistan.
Zugleich atmen diese Schwarzweiß-Aufnahmen den Geist einer längst vergangenen Epoche: vor dem Sturz der Monarchie, der Machtübernahme durch Kommunisten, dem Einmarsch der Roten Armee, dem Guerilla-Kampf der Mudschahedin, dem Sieg der Taliban und dem «Krieg gegen den Terror», den ausländische Truppen bis heute führen. Welches Leid über den Vielvölkerstaat hereinbrechen sollte, war vor 60 Jahren nicht abzusehen.
Friseur-Werbung auf Russisch und Englisch
1953 war Afghanistan ein rückständiges, aber friedliches Land, das allmählich Anschluss an die Moderne suchte: Im selben Jahr wurde die erste Talsperre eingeweiht, die der Bewässerung und Stromgewinnung diente. Nach einer Phase der Selbstisolation öffnete sich die Gesellschaft vorsichtig der Außenwelt.
Etwa auf dem Reklame-Schild eines städtischen Friseurs, der auf Russisch und Englisch für sich wirbt: Wie eine Reminiszenz des 19. Jahrhunderts, als das Zarenreich und Großbritannien um Einflusszonen in Mittelasien rangen. Doch das Great Game dieser Großmächte war längst Geschichte: Die einzige Waffe, die auf all diesen Bildern auftaucht, ist eine frühneuzeitlich anmutende Kanone.
Buddha-Statuen von Bamiyan stehen noch
Ebenso antiquiert erscheint das Militär-Orchester, das in Parade-Uniform zu einem Festtag aufspielt. Dagegen wirken Szenen aus Dörfern und freier Landschaft völlig zeitlos: Wenn hier einmal dichter Rauch aufsteigt, dann entweicht er aus einem Ofen, in dem Töpferware gebrannt wird.
Ruinen kommen öfter vor – doch die früherer Palast-Bauten, die fremde Eroberer schon vor Jahrhunderten zerstört haben. Hingegen stehen die 1900 Jahre alten Buddha-Statuen von Bamiyan noch unversehrt in ihren Felsnischen: Dass Fanatiker sie 2001 sprengen würden, scheint unvorstellbar.
Interessierte Neugier, keine Abwehr
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Dokumentarfilms "Generation Kunduz - Der Krieg der Anderen" von Martin Gerner.
Diese Unbefangenheit im Umgang mit Fremden dürfte längst zu den Opfern des Dauer-Krieges zählen; eine derartige Rundreise im Privat-Pkw wäre heutzutage lebensgefährlich. Insofern sind diese Bilder einzigartige Dokumente einer versunkenen Welt – auch wenn die lokale Tracht mit Turban und Burka unverändert geblieben ist.