
Chinas Filmindustrie boomt: Die Volksrepublik weist inzwischen den zweitgrößten Kinomarkt der Welt auf und beginnt sogar, in Hollywood zu investieren. Einen europäisch geförderten Film in China mit heimischer Regisseurin und Darstellern zu drehen, läuft auf das sprichwörtliche Tragen von Eulen nach Athen hinaus.
Info
UFO In Her Eyes
Regie: Xiaolu Guo, 110 min., Deutschland 2010;
mit: Shi Ke, Udo Kier, Mandy Zhang
Komplexe Landpartie
Dafür ist «UFO In Her Eyes» zu komplex angelegt. Zunächst ist es eine Reise in das ländliche, vom Bauboom der Metropolen unberührte China inmitten üppiger Naturkulisse. Fast der ganze Film spielt in einem Dorf, das weder verklärt noch denunziert wird. Man kann es förmlich riechen: frische Bergluft, gekochtes Gemüse und Misthaufen.
Offizieller Film-Trailer
Kristall-UFO mit Amerikaner
Dort geschieht etwas schwer Durchschaubares: Die ledige Bäuerin Kwok Yun (Shi Ke) findet eine Art Kristall. Sie blickt hinein, wird ohnmächtig und sieht nach dem Aufwachen einen verletzten Amerikaner (Udo Kier). Als sie ihm auf die Beine hilft, verschwindet er.
Der Dorfvorsteherin Chief Chang (Mandy Zhang) erzählt Kwok, sie hätte ein UFO gesehen. Hat sie wirklich? Was hat der geheimnisvolle Fremde damit zu tun? All das ist dem Film erst einmal herzlich egal.
Fünfjahres-Plan für Prunk-Bauten
Stattdessen bedankt sich der verschwundene Amerikaner per Post mit einem 3000-Dollar-Scheck. Das weckt den Ehrgeiz der Dorfvorsteherin: Sie organisiert florierenden UFO-Sichtungstourismus und plant Prunk-Bauten nach dem Vorbild der Oper von Sydney. Seltsamerweise geht zunächst alles gut. Kwok Yun will mittlerweile einen Lehrer heiraten, obwohl sie in einen Fahrrad-Monteur verliebt ist, dessen illegal errichtete Hütte abgerissen werden soll.
Am Tag ihrer Hochzeit im Hotel-Palast, der mit chinesischem Tempo hochgezogen wurde, kehrt der Amerikaner im Helikopter zurück. Zugleich liefern sich protestierende Bauern, die ihre Häuser räumen sollen, eine wüste Schlammschlacht mit der Polizei. Mittendrin der völlig entfesselte Gast-Star Udo Kier: Er steckt offenbar noch in seiner Rolle als Nazi-Führer vom Mond in «Iron Sky» fest; die Science-Fiction-Parodie läuft derzeit im Kino.
Trockener Witz aus drei Perspektiven
Diese aberwitzige Satire auf Modernisierungs-Konflikte wird aus drei Perspektiven konstruiert: der farbigen Erzählung der Hauptfigur Kwok Yun, den Ermittlungen eines Parteifunktionärs – schwarzweiß wie seine Klassifizierung der Dorfbewohner gemäß ihrer KP-Treue – und einer Reihe von Foto-Momentaufnahmen.
Ironische Kommentare stecken im Detail: etwa im (buchstäblichen) Amts-Chinesisch der Partei-Kader oder der zurückhaltenden Spielweise der Laien- und Profi-Darsteller. Ihre Komik ist so trocken und dead pan, dass kaum deutlich wird, dass der Film eine Komödie sein soll.
Amerika sieht aus wie Udo Kier
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
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Etwa der Gefühls-Haushalt der Hauptfigur sowie die unbegründete Fixierung des Dorfes auf die Vereinigten Staaten in einem Landstrich, in dem keine Spur von US-Kultur existiert, die irgendeine Sehnsucht auslösen könnte. Und dann kommt Amerika und sieht aus wie Udo Kier.
Zwischen Hybris und Hysterie
Der Film gibt allerhand Nüsse zu knacken: Seine verschachtelte Erzählweise und die Bilder hallen länger nach. Ein Prüfstein für die europäische Sichtweise, die Chinas Aufstieg mit einer Mischung aus Neid und Opportunismus beobachtet und dabei auf die Verwestlichung der Chinesen hofft. Dieser Haltung zwischen Hybris und Hysterie erteilt die Regisseurin einige Lektionen.
Dennoch macht «UFO In Her Eyes» für eine Komödie erstaunlich wenig Spaß. Befreiendes Lachen durch Kenntnis gewisser Codes oder Komplizenschaft mit dem Erzähler bleiben zwischen den vielen Zeit-, Raum- und Perspektiv-Sprüngen auf der Strecke – und der Erkenntnisgewinn fällt nicht besonders hoch aus.