«De facto entspricht unsere Nichtachtung des Negers lediglich einem Nichtwissen über ihn», stellte der Publizist und Kunst-Theoretiker Carl Einstein 1915 in seiner epochalen Studie «Negerplastik» fest. Das galt vor 100 Jahren uneingeschränkt: Für Europäer war Afrika ein dunkler Kontinent voller weißer Flecken auf der Landkarte. Dort hausten barbarische Menschenfresser.
Info
Afrika mit eigenen Augen - Vom Erforschen und Erträumen eines Kontinents
17.03.2012 - 02.09.2012
täglich außer montags 11 bis 18 Uhr im Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts, Lichtentaler Allee 8, Baden-Baden
Katalog 19 €
SPD-Politiker als Africana-Sammler
Im prachtvollen Rahmen: Reinhard Klimmt breitet seine Schätze aus. Der ehemalige SPD-Ministerpräsident des Saarlands und Bundesverkehrsminister ist ein ausgewiesener Kenner afrikanischer Kunst. Er hat mit erstklassigen Stücken eine Privat-Sammlung aufgebaut, die ihresgleichen sucht.
Interview mit Kurator Matthias Winzen + Impressionen der Ausstellung
Artefakte als primitive Fetische
Von filigran beschnitzten Türen der Dogon und Yoruba über farbenprächtige und reich geschmückte Kopf-Bedeckungen der Kongo-Völker, expressive Masken der Songye, Dan und Lega, hochwertige Ahnen-Figuren der Lobi, Baule und Igbo bis zu Musik-Instrumenten und Prunk-Stühlen für Häuptlinge ist alles vertreten, was Liebhaber traditioneller Kunst aus Afrika begeistert. Klimmts Kollektion ergänzen Masken, Flöten und aufwändige Haarnadeln aus zwei kleineren Sammlungen.
Diese Auswahl führt den überbordenden Formen-Reichtum und die verschwenderische Vielfalt des afrikanischen Kunst-Handwerks deutlich vor Augen. Heute bestreitet niemand mehr den ästhetischen Rang dieser Artefakte. Während der Kolonialisierung Afrikas war das anders: Objekte mit religiöser Bedeutung galten als Fetische primitiver Kulte, die durch Christianisierung ausgemerzt werden sollten.
Swahili-Wörterbuch vom Kilimandscharo-Entdecker
Einer der ersten Weißen, die das anzweifelten, war Johannes Rebmann (1820 – 1876). Als Missionar lebte er 29 Jahre in Ostafrika, sah als erster Europäer den Kilimandscharo und studierte Swahili. Er verfasste das erste Wörterbuch sowie eine Grammatik dieses weit verbreiteten Bantu-Idioms, der heutigen National-Sprache in Kenia und Tansania.
Heinrich Barth durchstreifte ab 1850 fünf Jahre lang den Nordwesten Afrikas. Er kopierte 6000 Jahre alte Fels-Zeichnungen im Tassili-Gebirge nahe der algerisch-libyschen Grenze – die ersten systematischen Bemühungen, afrikanische Kunst zu erfassen. Ansonsten verfolgte Barth eher ökonomische Interessen: So plädierte er für die industrielle Erschließung des Tschad-Sees.
Die Einsamkeit des forschenden Einzelgängers
Eine tragische Figur war Gottlob Adolf Krause (1850 – 1938). Auf eigene Faust erforschte er West- und Zentral-Afrika, wobei er umfangreiche Aufzeichnungen über zahlreiche dortige Kulturen anlegte. Da Krause vehement gegen Willkür und Grausamkeit der Kolonial-Herrschaft protestierte, blieb er isoliert. Seine Sammlung von 1700 Objekten verkaufte er ins niederländische Leiden, weil kein deutsches Museum sie haben wollte; sein riesiges Privat-Archiv wurde 1911 von Vandalen zerstört.